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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Möglichkeit vor Augen gehalten«, erklärte der Earl seinen Besuchern, »aber er hat nicht auf mich gehört.« Er war hocherfreut, daß die neue Bank ihre ersten Geschäftsräume in der wiedererbauten Gildehalle der Mercer in Cheapside genommen hatte. »Die Livreegesellschaft unserer Familie«, bemerkte er stolz.
    Zwei Monate nach der Gründung der Bank von England starb Julius eines Morgens friedlich. Um ein Jahr versäumte er so ein kleines Ereignis, das ihm Vergnügen bereitet hätte. Richard Meredith war wie sein Vater spät eine glückliche Ehe eingegangen, und im Jahr 1695 wurde ihm ein Sohn geschenkt. Einen Monat später stattete Eugene Penny Meredith einen Besuch ab.
    Der Hugenotte hatte ein Geschenk dabei, in einer kleinen Schachtel, die er mit offenkundigem Stolz öffnete. Eine hübsche Silberuhr lag darin. »Seht«, lächelte Penny, öffnete die Uhr und erklärte den Mechanismus.
    Vor zwanzig Jahren hatte der Londoner Uhrmacher Tompion begonnen, Uhren mit einer Haarfeder herzustellen; nun hatte er einen ausgeklügelteren Mechanismus entwickelt, der die Londoner Uhrmacherkunst zur führenden in Europa machen sollte. Das winzige Räderwerk, auf das Penny deutete, die sogenannte Zylinderhemmung, ermöglichte einen großen Fortschritt bei Taschenuhren, denn nun konnten alle Zahnräder horizontal eingepaßt werden, so daß die Uhr flach war und in die Westentasche paßte. Diese Uhr war ein Geschenk zur Geburt seines Sohnes und ein Dank für Meredith' Hilfe, daß Penny seine Stelle bei Tompion wieder bekommen hatte.
    Bald nachdem das neue Jahrhundert angebrochen war, gab es eine weitere Änderung in Meredith' Leben. 1701 entwarf sein Freund Wren für seine Kirche St. Bride's einen prächtigen Turm. Aus einem quadratischen Sockel wie bei St. Mary-leBow wuchsen in teleskopartiger Verjüngung vier oktogonale, von Arkaden durchbrochene Aufsätze empor, die von einer Spitzsäule gekrönt wurden. Diesen neuen Turm von St. Bride's, der noch höher war als das Monument, konnte man die gesamte Fleet Street entlang sehen; er machte die Kirche zu einem der Wahrzeichen der Stadt.
    1708
    Er hatte ihnen nicht gesagt, wohin er sie mitnahm, denn es sollte eine Überraschung sein. Obwohl O Be Joyful die Siebzig überschritten hatte, fühlte er sich noch kräftig genug, seine beiden liebsten Enkelkinder den Ludgate Hill hinaufzuführen. Es war ein leuchtender Tag im Spätoktober, und die Menschen, die sich auf den Straßen drängten, waren in Festtagsstimmung. Es war der Tag, an dem der Lord-Mayor seinen Festzug beging.
    Außer zur Zeit des Commonwealth, als man solche Festlichkeiten verboten hatte, war diese althergebrachte jährliche Zeremonie mit jedem Jahrzehnt ausgeklügelter geworden. Schon früh am Tag legte der Mayor in seiner offiziellen Residenz seinen Ornat an, bevor er zum Fluß ritt. Dann ruderte man ihn in seiner Prunkbarke, in Begleitung der Barken aller Livreegesellschaften, nach Westminster, wo er wie ein feudaler Baron alter Zeiten dem Monarchen seinen Lehnseid leistete. Danach kehrten die Barken wieder um, ließen ihre Passagiere in Blackfriars aussteigen, und von dort aus ritten Mayor, Aldermen und alle Mitglieder der Livreegesellschaften in einem farbenprächtigen Umzug nach Cheapside und dann zur Guildhall. Der beste Ort für die beiden Kinder, um dieser Zeremonie zuzusehen, dachte Carpenter, war die große äußere Galerie der Kuppel von St. Paul's.
    Da ragte sie vor ihnen in den Himmel auf, die mächtige Kuppel. Selbst jetzt noch fehlte der letzte Schliff an der großen steinernen Laterne, die sich hoch über der Kuppelspitze erhob und mit einem goldenen Kreuz abgeschlossen war, schwindelerregende hundertzehn Meter über dem Boden der Kathedrale. Die Kuppel war noch höher und erhabener als im ursprünglichen Modell, an dem O Be Joyful vor fast fünfunddreißig Jahren mitgebaut hatte.
    Carpenter hatte sie fasziniert in die Höhe wachsen sehen. Wren war selbst oft da, mittlerweile ein alter Mann, der sich aber immer noch mutig von den Arbeitern in einem Korb in die Kuppel hinaufziehen ließ. Tatsächlich war dieses große Gebilde nicht eine Kuppel, sondern bestand aus dreien. Über dem niedrigsten Gewölbe, das man von innen sah, und der metallenen Außenkuppel, die etwa fünfzehn Meter höher war, befand sich eine konische, mit Metallketten zusätzlich verstärkte Ziegelkuppel, die die Holzrahmenkonstruktion der hoch aufragenden Außenkuppel trug. »Ein zusätzlicher Schutz, damit das Gewicht von oben die

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