Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
glücklich zu sein. Seine Rechnung für Lady St. James hatte nicht weniger als dreißig Pfund betragen: und da die enorme Kuchenmenge, die sie bestellt hatte, von bester Qualität gewesen war, hoffte er auf ein einträgliches Geschäft. Isaac Fleming nahm an, daß die Aristokratie ihre Rechnungen stets bezahlte. Er wünschte sich ein Erkerfenster für seine Ladenfront. Zur Zeit seines Großvaters, als die Familie noch im Kurzwarengeschäft tätig war, hatte es solche Dinge noch nicht gegeben. Nach dem großen Brand waren die hölzernen Verkaufsstände des alten London allmählich durch in Reihen angelegte, aus Ziegel gebaute Läden ersetzt worden, zumeist recht einfach eingerichtet – eine schlichte Verkaufstheke, die Waren auf Regalbrettern, ein sandbestreuter Holzboden. In letzter Zeit hatte sich das verändert.
    Als Junge ging Isaac oft hinaus aus Ludgate, die Fleet Street entlang, die gleich nach der alten Kirche St. Clement-Danes in eine breite Fahrbahn mündete, die Strand genannt wurde. Es war eine vornehme Gegend, wo es solche Wonnen gab wie das griechische Kaffeehaus, das »New Church Chop House« und andere beliebte Gaststätten, in denen sich Rechtsanwälte und Gentlemen trafen. Am meisten Gefallen fand er jedoch an einem kleinen Laden, in den er jedesmal hineinging, wenn er vorbeikam: Twining's Tea Shop. Dort wurde nur Tee verkauft, aber auf elegante Art. Große bemalte Gefäße standen im Schaufenster; die Fässer im Laden waren alle mit schmuckvollen Etiketten versehen, auf der Theke standen neben Maßen und Gewichten mehrere Teebüchsen mit schönen Einlegearbeiten. »Wenn ich erwachsen bin, will ich einen solchen Laden haben«, sagte er zu seinem Vater.
    Da er ein paar Jahre später bei einem einfachen Bäcker um eine Lehrstelle bat, hatte Isaacs Vater gedacht, er würde wohl kaum ein so elegantes Geschäft brauchen, aber er hatte nicht mit der Initiative des Jungen gerechnet. Als er neben der »Old Cheshire Cheese Tavern« in der Fleet Street seinen eigenen kleinen Laden hatte, begann Isaac Kuchen zu backen, und das machte er sehr gut. Nach ein paar Jahren brachte der Kuchenverkauf schon mehr als die Hälfte seines Umsatzes ein. Eines Tages, sagte Isaac zu seinem Vater, würde er diese entscheidende Viertelmeile weiter hinaufziehen können, so daß er neben Twining's Tea Shop käme. Insgeheim hoffte er, ganz mit dem Brotbacken aufhören zu können, nur noch Kuchen zu machen und ein Geschäft am Piccadilly zu eröffnen.
    Der Piccadilly war die elegante Welt schlechthin. Zwischen dem Hof von St. James und Pall Mall im Süden und den prächtigen neuen Erschließungsgebieten wie Grosvenor und Hanover Square im Norden gelegen, war Piccadilly ein Ort für die beste Gesellschaft. Und dort, gleich bei dem kleinen Markt an der St.-James-Kirche stand ein so prachtvolles Geschäft, das alles andere in London so weit übertraf: Fortnum and Mason. Die beiden Freunde hatten das Geschäft 1707 gegründet, nachdem sich Fortnum, Diener am Königshof, aus seiner Stellung zurückgezogen hatte. Es war erstaunlich, was man dort alles kaufen konnte: alle Arten von Lebensmitteln, fremdartige Delikatessen – Hirschhornsalz und andere Seltenheiten, exotische Süßigkeiten, importiert von der Ostindiengesellschaft. Am beeindruckendsten war die Ladeneinrichtung – wunderbar dekorierte Schaufenster, strahlendes Licht, Tische, die hergerichtet waren wie in einem eleganten Salon eines adligen Stadtpalastes. Es mußte ein Vermögen gekostet haben. So ein Geschäft lag weit außerhalb Isaacs Möglichkeiten. Doch eines Tages würde er seinen Laden in Sichtweite haben, und dieselbe illustre Gesellschaft, die Fortnum's frequentierte, würde sein bescheidenes Konditorschaufenster sehen. Es war ein Traum, aber vielleicht doch nicht unerreichbar.
    Der erste Schritt zu diesem fernen Ziel war die Verschönerung seines bisherigen Ladens. Erstens brauchte er ein neues Schild. Die einfachen Geschäfte hatten immer noch die alten Schilder vor ihrer Tür, die modischen neuen Lieferanten jedoch ließen ihre Namen auf geschmackvolle Tafeln über dem Fenster schreiben, manchmal sogar in Gold. Und zweitens brauchte er ein Erkerfenster. Es sah nicht nur elegant aus. Die gewonnene Fläche ermöglichte es auch, eine größere Menge an Waren zu präsentieren. An diesem Tag hatte Isaac schließlich die Entscheidung getroffen. Die bescheidene Bäckerei in der Fleet Street sollte eine neue Fassade mit Erkerfenster bekommen.
    »Können wir uns das

Weitere Kostenlose Bücher