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London

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Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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als Aktiengesellschaft in der ehemaligen Gildehalle der Mercer hatte die Bank von England alle Rivalen überdauert. Immer wieder, wenn England Krieg führte, hatte sie die Mittel bereitgestellt. Sie hatte der Regierung über jede Krise hinweggeholfen; ihre Angestellten verwalteten fast den gesamten Staatshaushalt, bezahlten Armee und Marine und hatten sogar die Aufsicht über die staatliche Lotterie. Obwohl die Bank genaugenommen eine private Gesellschaft war, war sie in der Praxis ein Teil des Staates geworden. »Ihre Rücklagen sind so hoch und werden so sorgfältig verwaltet, daß sämtliche Geldinstitute und Handelsunternehmen in London sich an sie wenden, wenn sie Kapital brauchen«, fuhr Fleming fort. »Die Bank hat sämtliche Handlungsvollmachten; als einzige Bank in London hat sie die Konzession, Banknoten in Umlauf zu bringen. Geld muß stabil sein, und diese Stabilität hat die Bank durch Vorsicht erreicht.«
    Eugene wollte ihm gerade höflich für diese Informationen danken, doch Fleming fuhr fort: »Ich habe noch eine Neuigkeit für dich, Eugene. Dank eines alten Freundes konnte ich dir eine Stelle sichern. Eine Stelle in der Bank von England. Sicherheit fürs Leben, Eugene!«
    Eugene mußte sich rasch eine Antwort einfallen lassen. Er war ehrgeizig und wie seine hugenottischen Vorfahren sehr beharrlich. »Das Problem ist«, sagte er, »daß ich etwas anderes im Sinn hatte. Ich bin hergekommen, um hier mein Glück zu machen.«
    »Ah.« Jeremy Fleming verstummte einen Augenblick.
    Als sie nach Hause gingen, befürchtete Eugene, daß Fleming gekränkt sein könnte, aber als sie beim Abendessen saßen, erkundigte sich sein Pate ruhig: »Hast du ans Börsenmakeln oder an eine der Privatbanken gedacht?« Eugene war überrascht. Fleming schien über den Unternehmungsgeist seines Patensohnes fast erfreut, und er begann, die Vor- und Nachteile verschiedener Firmen zu erörtern. »Ich glaube, bei den Maklern sind die Unternehmen der Quäker am solidesten, aber vermutlich hast du keine Lust, Quäker zu werden. Dann gibt es natürlich die Baring-Bank – äußerst distinguiert, aber da du keine besonderen Beziehungen hast, ist das wohl schwierig. Die Rothschild-Bank ist rein in Familienhand. Was du brauchst, denke ich, ist ein aufstrebendes kleines Unternehmen, das in allen neuen Märkten engagiert ist. Laß mir ein oder zwei Tage Zeit, um mich umzuhören.«
    Während der folgenden Tage erklärte Fleming Eugene die Funktionsweise der Märkte, die Denkweise der City und ihre Gepflogenheiten und beschrieb fast mit Wonne die übelsten Tricks der Händler. »Es erstaunt mich, daß du nie selbst Geschäftsmann geworden bist«, äußerte Eugene.
    Fleming lächelte. »Ich habe einmal davon geträumt. Aber ich hatte nicht genügend Mut. Übrigens, morgen hast du ein Einstellungsgespräch.«
    Das Bankhaus Meredith war ein hohes Backsteingebäude in einem schmalen Hof, in den man durch eine kleine Seitenstraße vom Cornhill kam. In einem komfortablen Empfangsraum im ersten Stock fand sich Eugene einem gutaussehenden Gentleman in den Dreißigern gegenüber, der sich als Mr. Meredith vorstellte, und in einem Ohrensessel daneben saß ein wesentlich älterer Gentleman.
    Meredith plauderte liebenswürdig über sein Geschäft, bevor er sich nach Eugenes Familie erkundigte. Als Penny seine hugenottische Herkunft erklärte, schien Meredith sehr zufrieden. »In der Finanzwelt gibt es viele Hugenotten, und sie machen sich gut«, bemerkte er. »Ich erwarte, daß Sie hart arbeiten.« Eugene versicherte ihm das. »Wenn Sie aufsteigen wollen, hängt das davon ab, wie nützlich Sie sich machen können.«
    Meredith fuhr fort, ihm einige Fragen zu stellen, um zu sehen, was Eugene von den Regeln der Finanzwelt verstand, und dank der Unterweisung durch seinen Paten konnte Eugene sie auch beantworten. Am Ende des Gesprächs mischte sich plötzlich der alte Mann ein. »Was denkt er über den Freihandel?« fragte er.
    Die Frage kam so abrupt, daß Eugene fast zusammenzuckte. »Lord St. James möchte Ihre Ansicht über den Freihandel kennenlernen«, soufflierte Meredith.
    Von Fleming wußte Eugene, wer der alte Mann war und wie seine Antwort lauten mußte. »Ich stimme mit den Whigs im Prinzip für den Freihandel, zum größeren Wohl der Menschen, doch solange unsere Handelskonkurrenten ihn nicht auch einführen, brauchen englische Kaufleute wohl hier und da etwas Schutz.« Das war genau die Ansicht der Whig-Anhänger unter den Kaufleuten und

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