London
Kinder ernannt.
»Du bist gut zu ihm«, sagte sie manchmal zu ihrem Mann. Eugene schüttelte dann den Kopf. »Aber sehr spät, Mary«, erwiderte er. Dennoch, wenn er an warmen Sommerabenden mit ihr spazierenging, dachte er, daß sich bei ihnen auf dem Lavendelhügel alles zum besten entwickelt hatte.
DER KRISTALLPALAST
1851
ALLES WAR SORGFÄLTIG GEPLANT. Genau um drei Uhr würde sich die Familie in dem großen Haus oben in Blackheath treffen – denn wie jede der vier Töchter (oder deren Ehemänner) bestätigen konnte, kam es nicht in Frage, bei dem alten Herrn zu spät zu kommen, und noch dazu war es sein Geburtstag; undenkbar, da nicht pünktlich zu sein.
Aber es war noch früh an diesem Augusttag. Ihr Mann hatte berechnet, daß sie sich zwei Stunden und vierzig Minuten Vergnügen gönnen konnten. Aufgeregt schritten Harriet Penny und ihr Gatte auf das große Gebäude zu, das wie ein Zauberschloß aus einem Märchen vor ihnen glitzerte und funkelte. Noch nie hatte man so etwas gesehen. Über zwanzig Meter hoch (man hatte im Inneren sogar eine Ulme stehengelassen) und viermal so lang wie St. Paul's, erstreckte sich das monumentale Gebäude über fast sechshundert Meter am südlichen Rand des Hyde Park. Und das Erstaunlichste – es bestand fast gänzlich aus Eisen und Glas.
Die riesige Halle der Weltausstellung von 1851 – der Kristallpalast, wie man sie sofort nannte – war ein Triumph britischer Ingenieurkunst. Von der Idee her ein überdimensionales Gewächshaus, bildeten die nahezu vierundachtzigtausend Quadratmeter Glas, die aus genormten Standardteilen industriell hergestellt worden waren, und Tausende gußeiserner Träger und Säulen einen luftigen Raum über siebenundsiebzigtausend Quadratmeter Bodenfläche. Dabei war das gigantische Gebäude innerhalb weniger Monate errichtet worden. Der Kristallpalast verkörperte alles, was leicht und modern war. Das einzig Altmodische war das Sperberpärchen, das man in dem Gebäude fliegen ließ, um die Vögel zu bekämpfen, die die Galerien heimsuchten. Die Idee zu dieser Weltausstellung und ihrer großen Halle stammte von Königin Viktorias intelligentem deutschem Ehemann Albert, der der führende Kopf des Projekts war und es bis zur Vollendung begleitete. Das königliche Paar war immens stolz darauf.
Schon bezeichnete man die Weltausstellung als einen Triumph. Aus ganz England strömten die Leute herbei, um sie zu sehen. Franzosen, Deutsche, Italiener, Amerikaner und selbst Besucher aus dem Fernen Osten kamen zu Millionen, um ihre Sensationen zu bewundern. Und es kamen nicht nur die Vornehmen. An den meisten Tagen konnten gewöhnliche Leute sie für nur einen Shilling besuchen.
Harriet war noch nicht in der Weltausstellung gewesen, obwohl sie schon im Mai eröffnet worden war. Ihre drei Schwestern hatten sie gesehen, aber sie hatte gewartet, bis sie mit ihrem Mann hingehen konnte. Zufrieden hakte sie sich bei ihm unter. Sie hatte Glück gehabt mit Penny. Ihre älteren Schwestern, Charlotte und Esther, hatten mit über dreißig Jahren jüngere, ehrgeizige Männer geheiratet und schienen ganz glücklich. Und da war noch ihre jüngere Schwester Mary Anne, aber sie war natürlich etwas anderes. Harriet war dreiundzwanzig gewesen, als sie Penny kennenlernte, und obwohl er zwei Jahre jünger war, hatte sie sich sofort zu dem bebrillten jungen Mann mit der ruhigen, aber entschiedenen Art hingezogen gefühlt. Sein Vater, der Bankier, hatte seine Kinder mit mehreren Treuhandvermögen großzügig versorgt, aber der junge Penny hatte eigene Ambitionen im Versicherungswesen. Ihre älteren Schwestern waren wegen ihres Vermögens geheiratet worden, doch Penny hatte Harriets Geld nicht gebraucht.
Der Kristallpalast selbst war schon beeindruckend, doch die Exponate waren atemberaubend. Jedes Land der Erde, das einige Bedeutung hatte, war mit einer Abteilung vertreten. Aus Indien stammte ein ausgestopfter Elefant mit einem prachtvollen juwelenbesetzten Sitz auf dem Rücken; und auch der sagenhafte Diamant Koh-i-noor war ausgestellt, angestrahlt von einer Gaslampe. Aus den Vereinigten Staaten kamen landwirtschaftliche Maschinen, einschließlich einer Entkörnungsmaschine zum Reinigen von Baumwolle, außerdem Colonel Colts Revolver und eine schwimmende Missionskirche, die den Delaware hinauf- und hinunterfuhr. Der russische Zar hatte herrliche Zobelpelze gesandt; ein türkischer Pavillon war aufgebaut, man konnte chinesisches Porzellan, verschiedenste nützliche Dinge aus
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