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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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zuwenden.
    »Nein, Lady. Meine Frau – Euer Mann und meine Frau…« Er deutete auf die Tür.
    Sie verzog das Gesicht. »Wovon redest du?«
    »Sie wollen Euch sprechen!« Nun war er vollends verstört. Sie entschuldigte sich schulterzuckend bei ihrem Gesprächspartner und stand endlich auf, um mit ihm vor die Tür zu treten.
    Wo blieb Offa nur? Ricola hatte doch alles genau überlegt. Sie wollte den Händler nur bis zu einem gewissen Punkt bringen, nicht weiter, doch jetzt war viel zu viel Zeit verstrichen, und Cerdic war sichtlich erregt. Er hatte eine Hand auf ihre Schulter gelegt. Entweder mußte sie ihn nun abwehren und damit vielleicht erzürnen, oder…
    Sie kamen immer noch nicht. Sie versuchte sanft, Cerdics Hand wegzuschubsen, die inzwischen zu ihrer Brust hinabgewandert war. Noch nicht, hätte sie am liebsten geschrien. Noch nicht! Doch er beugte sich schon herab, um sie zu küssen.
    Als Elfgiva aus der Tür in den dunklen Hof hinaustrat, sah sie ihren Mann und ihre Sklavin deutlich genug vor der kleinen Hütte. Ihr Mann küßte das Mädchen, das nichts dagegen zu haben schien. Ricohs Schal war neben ihr auf den Boden geglitten. Als sie sich nun voneinander lösten und zu ihr hinüberblickten, zeigte Cerdics Lächeln eine Mischung aus Schuld und Triumph. Das Mädchen starrte sie angstvoll an und machte dabei eine lächerliche Geste, als ob es ihn von sich stoßen wollte.
    In diesem Moment erinnerte sich Elfgiva nur an eines. Was hatte das unverschämte kleine Ding doch neulich zu ihr gesagt? »Wenn Ihr ihn nicht nehmt, wird es eine andere tun.« Und nun bildete sich die Sklavin offenbar ein, daß sie diese andere sein könnte.
    Elfgiva zuckte die Schultern. Natürlich war sie verletzt und erbost. Aber wenn mein Mann sich mit einer Sklavin amüsieren will, dachte sie voll bitterer Verachtung, dann liegt es unter meiner Würde, dies zur Kenntnis zu nehmen. Sie achtete nicht weiter auf die beiden und schickte sich an, zu dem Fest zurückzukehren, gefolgt von Offa, der versuchte, etwas zu sagen. Doch sie hörte ihm nicht zu.
    Denn dies hatte die arme Ricola nicht recht verstanden: Ihre Herrin mochte sich zwar in ihren Nöten ihr anvertrauen, doch für die hochwohlgeborene sächsische Dame war das Mädchen nach wie vor eine Sklavin. Sie war keine Rivalin, sie war ein Ding, das man besaß und eine Nacht lang benutzen konnte, wenn man nichts Besseres vorhatte, so, wie ihr Mann dies nun tat. Elfgiva konnte sogar in dieser Lage die Gedanken an das Mädchen einfach ausblenden, was sie auch tat. Sie nahm wieder neben dem geschwätzigen Nachbarn Platz und winkte Offa weg. Als dieser wieder vor die Tür trat, sah er Cerdic und Ricola nicht mehr.
    Ricola konnte rein gar nichts tun, das erkannte Offa nun nur allzu deutlich. Selbst wenn sie sich wehrte, war doch der Herr viel stärker als sie, und als Sklaven hatten er und Ricola nahezu keine Rechte. Er stöhnte über seine Dummheit. Ein Weilchen hoffte er noch, daß Ricola es vielleicht schaffte, dem Händler zu entwischen. Vielleicht war Cerdic ja auch zu betrunken. Doch die Stunden vergingen, ohne daß Ricola auftauchte.
    Nachdenklich lag Ricola in Cerdics Armen. Ihre Gedanken waren zuerst zu ihrem Mann, dann zu Elfgiva gewandert. Welche Folgen würde diese Nacht haben? Für ihre Ehe, ihre Stellung bei ihrer Herrin, ihre zukünftige Beziehung zu ihrem Herrn? Sie wollte weg, doch der Händler schlief noch nicht tief genug, und sein starker Arm hinderte sie am Aufstehen. Eines zumindest wußte Ricola. In ihr wuchs ein winziges neues Leben, ein Leben, das nur ihr und Offa gehörte und das sie beschützen mußte, komme, was wolle.
    Elfgiva schlief nicht. Sie wälzte sich die ganze Nacht unruhig in ihrem Bett. Immer wieder ließ sie die Ereignisse dieses Abends an sich vorüberziehen, und es dauerte nicht lange, da wich ihre Wut der Reue. Warum habe ich ihn nicht aufgehalten? fragte sie sich immer wieder.
    Sie war verletzt, doch ihr Mann tat ihr nun auch leid. Sie kannte seine Bedürfnisse, doch sie hatte sie abgewehrt. Und warum? Aus Treue ihren Göttern gegenüber. Aus Angst vor einer Demütigung. Aus Stolz. Aber machte ihr Stolz sie nun etwa glücklich? War Demütigung schlimmer als dieses Chaos? Hatten Woden, Thunor und Tiw ihr in dieser Winternacht Trost gespendet? Nein, das hatten sie nicht.
    Ricola hatte schließlich doch recht gehabt. Ihre List hatte funktioniert, wenn auch später, als sie es geplant hatte. Elfgiva beschloß, ihre Ehe wieder aufzunehmen.
    Am

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