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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Streitäxte aufgehalten, die von Männern wie Barnikel geschwungen wurden. Die Reiter flohen, und nur Wilhelm persönlich verhinderte eine Massenflucht. Zweimal rückte die Kavallerie vor und tat dann so, als würde sie fliehen, was viele Engländer dazu verleitete, den Hügel hinab in eine Falle zu rennen. Die Engländer wurden nach und nach aufgerieben, als ihre Kommandanten fielen. Trotzdem hätte ihre Kampflinie vielleicht bis in die Nacht hinein gehalten werden können, wenn nicht ein verirrter Pfeil ein Auge König Haralds getroffen hätte und ihn schwer verwundete. Kurz darauf erhielt er den Todesstoß. Dies war das Ende der Schlacht. Der Staller von London wurde schwer verwundet vom Schlachtfeld getragen. Unter der kleinen Truppe von Wackeren, mit denen er neben dem Regiment des Königs gekämpft hatte, waren auch Barnikel und sein Sohn, die überlebten und ihn nun begleiteten.
    Zwei Monate später beobachteten an einem sonnigen Dezembermorgen mehrere hundert Londoner Bürger eine merkwürdige Szene im Kirchenhof von St. Paul's, wo der Folkmoot gerade eine Versammlung beendet hatte.
    Barnikel von Billingsgate hatte ein hochrotes Gesicht. Wütend funkelte er seinen Freund Leofric an und brüllte so laut, daß man es fast bis zum West Cheap hören konnte: »Verräter!«
    Seine Wut richtete sich indes nicht nur gegen den sächsischen Kaufmann. Der riesige Däne war auf alle wütend. Die Wochen nach Hastings waren sehr angespannt gewesen. Wilhelm konnte nicht sofort seinen Sieg sichern, denn seine Truppen waren nach der Schlacht geschwächt, und im Lager brachen Seuchen aus. Er mußte an der Küste auf Verstärkung warten. Inzwischen trafen Regimenter aus dem Norden und aus anderen Grafschaften in London ein. Der Witan rief hastig einen legitimen Nachfolger, Eduards ausländischen Neffen, zum König aus. Die Stadt war voll von bewaffneten Männern, aber es schien keine klare Richtung zu geben. Der Staller war noch immer verwundet und wurde in einer Sänfte herumgetragen. Der junge Prinz, nur dem Namen nach König, ließ sich selten sehen. Die Edelleute aus dem Norden sprachen davon, ihren Heimweg anzutreten. Gerüchten zufolge verhandelte der Erzbischof von Canterbury bereits heimlich mit den Normannen.
    Am ersten Dezember setzte sich Wilhelm von der Normandie endlich in Bewegung. Er zog auf der alten Römerstraße durch Canterbury und Rochester herauf; seine Vorhut erreichte bereits das südliche Ende der Brücke. Die Holzbrücke wurde verteidigt, die Stadttore geschlossen. Die Normannen gaben sich damit zufrieden, die Häuser am Südufer in Brand zu setzen, und zogen sich dann wieder zurück. Wilhelm zog an der Stadt vorbei und überquerte den Fluß weiter oben, hinter Windsor; dann zog er weiter nach Norden und brannte auf seinem Weg alle Höfe nieder. Mitte Dezember machten ihm sowohl der Erzbischof als auch der Staller ihre Aufwartung, und Leofric nahm an, daß die Stadt auf seine Bedingungen wartete.
    Die Bedingungen kamen. Alle alten Rechte und Privilegien der Stadt würden geachtet werden, dafür wollte Wilhelm von der Normandie persönlich sorgen. Leofric machte seinen Standpunkt klar: »Wir sollten die Bedingungen annehmen.« Der Staller pflichtete ihm bei. London würde sich Wilhelm ergeben, und dagegen konnte Barnikel rein gar nichts ausrichten.
    »Verräter!« brüllte er abermals. Und dann hörte halb London, wie er schrie: »Und Eure Tochter könnt Ihr auch behalten! Mein Sohn wird nicht das Kind eines Verräters heiraten!«
    »Wie Ihr wünscht«, erwiderte Leofric nur und wandte sich ab.
    Drei Tage später erfuhr Barnikel die Neuigkeiten von Hildas Verlobung mit Henri Silversleeves. Es dauerte eine ganze Weile, bis er es fassen konnte. »Aber Ihr habt ihm doch gesagt, daß wir sie nicht haben wollen. Ihr habt Euch der Hochzeit widersetzt!« erinnerte ihn sein unglücklicher Sohn.
    »Er hätte wissen müssen, daß ich es nicht so gemeint habe«, stöhnte der Däne, bevor ihm aufging, daß Leofric es wahrscheinlich durchaus gewußt hatte. Und dann wurde Barnikel von Billingsgate wirklich sehr böse.
    Er wütete über eine Stunde in seinem Haus. Als seine Familie sich am nächsten Tag wieder hineinwagte, konnte sie die Nachbarn nicht abhalten, die ebenfalls hineindrängten, um den Schaden zu begutachten, den er angerichtet hatte. Es war eine schreckliche Bilanz. Zerschmettert: drei Fässer Ale, sieben Tonkrüge, sechs Holzteller, zwei Betten, ein Kessel, fünf Holzstühle, fünfzehn Topfe mit

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