Long Dark Night
zu tun.«
»Aber Sie haben ihn nicht die ganze Zeit beobachtet, während er in dem Wagen war?«
»Nein, ich hatte jede Menge zu tun.«
»Wie lange war er im Wagen?«
»‘ne Stunde oder so. Zuerst mit dem Staubsauger, dann mit dem Handfeger. Das war wirklich ein unglaublicher Dreck, das können Sie mir glauben. Und als der Mann den Wagen um zehn abgeholt hat, war er makellos sauber. Der hat gar nicht gemerkt, daß ein paar Vögel darin übernachtet haben.«
»Aber die Vögel waren schon wieder weg, als Sie das offene Fenster bemerkt haben?«
»Ja, klar, schon lange. Sie haben nur ihre Federn und ihre Scheiße zurückgelassen.«
»Kannst du dich nicht etwas gewählter ausdrücken?« sagte seine Frau und runzelte die Stirn.
»Und sie sind von allein wieder rausgeflogen?« fragte Hawes.
»Muß ja so gewesen sein, meinen Sie nicht auch?« Hawes fragte sich, wie ihnen dieses Kunststück gelungen war.
Carella ebenfalls.
»Na ja, vielen Dank«, sagte er. »Wir wissen zu schätzen, daß Sie mit uns gesprochen haben. Wenn Ihnen sonst noch etwas einfällt, hier ist meine…«
»Was denn, zum Beispiel?« fragte Jackson.
»Zum Beispiel, daß Sie doch gesehen haben, wie jemand an dem Handschuhfach herumgemacht hat.«
»Ich hab Ihnen doch schon gesagt, daß ich niemanden in der Nähe des Handschuhfachs gesehen habe.«
»Na ja, hier haben Sie trotzdem meine Karte«, sagte Carella. »Wenn Ihnen noch irgend etwas einfällt, das uns weiterhelfen könnte…«
»Lassen Sie sich ja nicht mehr um fünf Uhr morgens hier blicken«, sagte Jackson.
Mrs. Jackson nickte.
»Wir würden gern den Wagen abholen lassen«, sagte Carella ins Telefon, »damit unsere Leute ihn gründlich untersuchen können.«
»Was?« sagte Pratt.
Es war Viertel nach fünf. Carella rief mit dem Handy aus dem Polizeiwagen an. Hawes fuhr. Sie waren unterwegs nach Calm’s Point, wo Abdul Sikhar wohnte.
»Und wann krieg ich mal ‘ne Mütze Schlaf?« fragte Pratt.
»Ich meine ja nicht, daß jetzt sofort jemand vorbei kommt. Vielleicht können wir…«
»Ich spreche davon, daß Sie mich gerade schon wieder geweckt haben.«
»Das tut mir leid, aber wir wollen den Wagen untersuchen und herausfinden…«
»Das hab ich schon kapiert. Warum?«
»Um herauszufinden, was passiert ist.«
»Passiert ist, daß jemand meinen Revolver gestohlen hat.«
»Daran arbeiten wir ja, Mr. Pratt. Und deshalb möchten wir, daß unsere Leute sich das Innere des Wagens ansehen.«
»Was für Leute?«
»Unsere Labortechniker.«
»Und wonach suchen sie?«
Nach Federn und Scheiße, hätte Carella fast gesagt. »Nach allem, was wir finden können«, sagte er statt dessen.
»Sie können von Glück sprechen, daß Sonntag ist«, sagte Pratt. »Sir?«
»Heute arbeite ich nicht.«
Die drei Richards wurden allmählich wieder nüchtern und auch ein wenig verdrossen. Sie waren den ganzen Weg hierher nach Diamondback hinaufgefahren - was wohl von Anfang an keine so gute Idee gewesen war - und fanden nun kein Mädchen auf den Straßen, vielleicht, weil alle vernünftigen Menschen um halb sechs morgens bereits schliefen. Richard der Erste hatte keine Angst vor Schwarzen. Er wußte, daß Diamondback ein berüchtigtes, gefährliches schwarzes Getto war, war aber schon einmal hier gewesen - auf der Suche nach Kokain, nicht umsonst trug er den Spitznamen Löwenherz - und glaubte, mit Afro-Amerikanern umgehen zu können.
Richard behauptete, daß jeder Schwarze - oder auch jede Schwarze, um politisch korrekt zu bleiben - augenblicklich sagen konnte, ob man ein Rassist war oder nicht. Natürlich waren die einzigen Schwarzen, die er kannte, Drogenhändler und Prostituierte, aber dieser Umstand rüttelte nicht an seiner Überzeugung. Ein schwarzer Mensch konnte einen weißen ansehen und entweder die toten blauen Augen entdecken, die er eigentlich entdecken mußte, weil er darauf konditioniert war, oder aber feststellen, daß diese weiße Person ausnahmsweise farbenblind war. Richard der Erste mochte gern glauben, daß er farbenblind war, und deshalb war er zu dieser Stunde hier oben in Diamondback und hielt nach einer schwarzen Fotze Ausschau.
»Das Problem ist«, sagte er zu den beiden anderen Richards, »daß wir zu spät sind. Die schlafen alle schon.«
»Das Problem ist, daß wir zu früh sind«, sagte Richard der Zweite. »Die sind noch nicht wach.«
»Mann, es ist verdammt kalt hier draußen«, sagte Richard der Dritte. Ein paar Schritte weiter die Straße entlang
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