Long Dark Night
Wagen, ich hab nachgesehen. Sie muß in seiner Wohnung sein.«
»Welche Tasche, Richard?«
»Die mit dem Geld und den Jumbos drin. Wir müssen sie finden, um ihm den Unfall anhängen zu können.«
»Wie denn?«
»Wenn er die Tasche gestohlen hat, sind seine Fingerabdrücke drauf.«
»Vielleicht hat er sie abgewischt.«
»So was tut man nur im Film. Außerdem hätte er keine Zeit dafür gehabt. Wir waren doch alle zusammen, oder? Haben sie in das Laken gewickelt und nach unten und in den Kofferraum geschafft. Er hätte keine Zeit dafür gehabt.«
»Sie war schwer.«
»Allerdings.«
»Sie sah so klein aus. Aber sie war schwer.«
»Ja, das täuscht.«
»Das mit der Tasche verstehe ich noch immer nicht.«
»Was verstehst du nicht?«
»Wie soll ihn das mit dem Unfall in Verbindung bringen?«
»Seine Fingerabdrücke sind auf der Tasche.«
»Ja, aber…«
»Die Fingerabdrücke werden ihn damit in Verbindung bringen.«
»Aber wenn wir mit ihrer Tasche zur Polizei gehen…«
»Nein, nein, nein, das können wir natürlich nicht.«
»Was dann?«
»Wir lassen sie neben der Leiche liegen.«
»Du meinst, die liegt noch da? Die ist mittlerweile bestimmt schon in der Leichenhalle, oder?«
»Ich spreche nicht von ihrer Leiche, Richard.«
Paul Blaney versuchte herauszufinden, was zuerst da gewesen war, die Henne oder das Ei. War die Weiße auf seinem Tisch erstickt, oder war der Tod durch die schweren Blutungen im Genitalbereich eingetreten? Er hatte bereits festgestellt, daß sich im Blut der Leiche eine beträchtliche Menge an Kokainderivaten befand. Das Mädchen war nicht an einer Überdosis gestorben, das stand fest, aber die Detectives würden trotzdem von den Drogen wissen wollen. Das konnte immerhin bedeuten, daß der Mord einen Drogenhintergrund hatte. Als ob das noch nie dagewesen wäre. Er war gar nicht mal so überzeugt davon, daß es die Detectives wirklich interessierte, ob sie verblutet oder wegen der Tüte über ihrem Kopf erstickt war. Aber es war Blaneys Aufgabe, die Ursache und den Zeitpunkt des Todes festzustellen.
Er wurde nicht für Spekulationen bezahlt. Er wurde dafür bezahlt, die sterblichen Überreste zu untersuchen und die Fakten zusammenzutragen, die zu einer wissenschaftlichen Schlußfolgerung führten. In seinem Lexikon wurde Erstickung beschrieben als »traumatische Asphyxie, die eintritt, wenn blockierte Atemwege die Zufuhr von Luft in die Lungen verhindern.« Aber wo waren die typischen Spuren, wenn das Mädchen erstickt war? Wo war die Zyanose des Gesichts, die Blaufärbung, die er selbst nach all diesen Jahren, die er Autopsien vornahm, noch immer ziemlich erschreckend fand? Wo waren die kleinen, runden Ekchymosen der Kopfhaut, die winzigen Prellungen, die auf den Tod durch Erdrosseln oder Ersticken hinwiesen? Wo waren die winzigen Blutflecken im Weißen ihrer Augen? Da Blaney keines dieser sicheren Indizien entdecken konnte, schnitt er den Brustkorb des Mädchens auf.
Als der schwarze Richard das Wasser von der Autowaschanlage zurück zum Parkplatz schleppte, überlegte er, was er tun würde. Er würde zur Polizei gehen und den Cops sagen, daß diese drei reichen Jungs aus einer Schule irgendwo in Massachusetts, Connecticut, wo auch immer - es stand ja groß und breit auf ihren Parkas - daß diese drei reichen weißen Footballspieler zu ihm gekommen waren, um Dope zu kaufen. Er hatte natürlich was zu verkaufen, ihr alle wißt doch, daß ich dann und wann ein wenig deale, wir wollen uns ja nicht verscheißern, oder? Ich bin nicht hier, um euch zu belügen, meine Herren, ich bin hier, um euch zu helfen.
Die Cops würden ihn dann schräg ansehen. Klar doch, der Nigger ist hier, um uns zu helfen. Fing als kleiner Dealer an, jetzt vertickt er Stoff für fünf, sechs Scheine pro Tag, und er ist hier, um uns zu helfen. Verpiß dich, Nigger.
He, nee, ich hab gesehen, wie diese Jungs einen Mord begangen haben.
Was?
Jetzt spitzen sie die Ohren.
»Was grinst du so?« fragte Richard der Dritte. Er trottete in seinem blauen Parka mit dem großen weißen P auf dem Rücken, der kleine Football genau darunter, neben ihm her und schleppte zwei Eimer Wasser, wie der schwarze Richard auch. Beide hatten ihre Manteltaschen mit Putztüchern von der Waschanlage vollgestopft. Sie stapften unter der Überführung her. Wäre jetzt Nacht statt Morgen, hätten sie in dieser Gegend schon tot sein können.
»Ich denk mir«, sagte Richard, »sobald wir hier fertig sind, verpißt ihr
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