Long Dark Night
würdevoll. »Was haben Sie seitdem so getrieben?«
»Alles mögliche.«
»Außer der Zuhälterei?« fragte Hawes.
»Außer Mord?« fragte Carella.
»Einfach ein paar Jobs hier und da.«
»Hier und wo?«
»Hier in der Stadt.«
»Wir Glückspilze«, sagte Hawes.
»Was für Jobs?« fragte Carella.
Jetzt setzten sie ihm zu. Versuchten, ihn in die Enge zu treiben. Er wußte es, und sie wußten es. Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Seit seinem zwölften Lebensjahr hatte er immer wieder mit Cops zu tun gehabt. Es gab keinen Cop auf der ganzen Welt, der ihn noch aus der Ruhe bringen konnte.
»Bin Taxi gefahren, Lieferwagen, hab als Kellner gearbeitet«, sagte er. »Lauter so komische Jobs.«
»Übrigens«, sagte Hawes, »haben wir hier noch ein Vorstrafenregister.« Er drehte es um, so daß Jamal den Namen ganz oben lesen konnte: MARX, YOLANDE MARIE, und darunter, in Klammern, alias MARIE ST. CLAIRE.
»Kennen Sie sie?« fragte Carella.
Wenn sie ihr Vorstrafenregister hatten, wußten sie, daß er ihr Zuhälter war. War sie schon wieder in Schwierigkeiten? Als sie zum letzten Mal bei einem Ladendiebstahl erwischt worden war, hatte er ihr gedroht, ihr beide Beine zu brechen, falls sie ihn noch mal in so eine Lage brächte. Worum auch immer es hier ging, es war wohl an der Zeit, mit offenen Karten zu spielen.
»Ich kenne sie«, sagte er.
»Sie sind ihr Zuhälter, oder?«
»Ich kenne sie.«
»Und was ist mit der Zuhälterei?«
Jamal nickte, zuckte mit den Achseln, schüttelte den Kopf, spreizte die Finger, das alles, um Unsicherheit auszudrücken, wie sie vermuteten. Sie betrachteten ihn schweigend und warteten auf seine Erklärung. Er fragte sich, in welchen Schwierigkeiten Yolande diesmal steckte. Warum hatten sie ihr Vorstrafenregister hervorgeholt? Er sagte nichts. Warten wir mal ab, dachte er. Spielen wir mit.
»Wann haben Sie sie zum letztenmal gesehen?« fragte Hawes.
»Warum?« sagte Jamal.
»Können Sie es uns sagen oder nicht?«
»Klar kann ich Ihnen das sagen. Aber warum?«
»Sagen Sie es uns einfach, okay?«
»Ich habe sie gegen zehn zur Brücke gefahren.«
»Sie haben sie also um zehn Uhr zur Arbeit gefahren?«
»Nun… ja.«
»Welche Brücke?«
»Die Majesta Bridge.«
»Was hat sie angehabt?«
»Einen schwarzen Minirock, ‘ne Kunstpelzjacke, schwarze Strümpfe, rote Stiefel, rote Handtasche.«
»Haben Sie sie danach noch mal gesehen?«
»Nein. Sitzt sie im Knast?«
Die Detectives sahen sich an. Entweder, sie trieben dieses Spielchen noch eine Weile, oder sie legten die Karten auf den Tisch.
Sie legten sie auf den Tisch.
»Sie ist tot«, sagte Carella und warf ein Foto auf den Schreibtisch. Das Foto war in einer Gasse zwischen zwei Häusern an der St. Sebastian Avenue gemacht worden. Es war eine Schwarzweißaufnahme; die Adresse des Tatorts stand in weißen Lettern am unteren Rand der Aufnahme, Datum und Uhrzeit in der rechten Ecke. Jamal sah sich das Bild an. Das war es also, ‘ne tote Nutte, und man geht zu ihrem Zuhälter.
»Und?« sagte Hawes.
»Und, es tut mir leid. Sie war ein gutes Mädchen. Ich hab sie gemocht.«
»Deshalb haben Sie sie gestern abend auch in ihrer Unterwäsche auf die Straße geschickt? Bei minus zehn Grad da draußen? Weil Sie sie mochten, ja?«
»Ach, ist sie erfroren?« fragte Jamal.
»Werden Sie mir nicht frech«, warnte Hawes ihn.
»Niemand hat sie dazu gezwungen«, sagte Jamal. »Was war es? Eine Überdosis?«
»Sagen Sie es uns.«
»Glauben Sie etwa, ich hätte sie umgebracht? Aus welchem Grund?«
»Wo waren Sie heute morgen gegen sieben Uhr?«
»Zu Hause, im Bett.«
»Allein?«
»Nein, mit meiner Freundin. Sie haben sie doch gesehen. Mit ihr war ich zusammen.«
»Carlyle Yancy, so heißt sie?«
»Das hat sie Ihnen doch gesagt, oder?«
»Ist das ihr richtiger Name?«
»Sie ist nie hopsgenommen worden, das können Sie also vergessen.«
»Und ihr richtiger Name ist?«
»Sarah Rowland.«
»Das werden wir überprüfen.«
»Tun Sie das ruhig. Sie ist sauber.«
»Von wann bis wann?« fragte Carella.
»Was meinen Sie?«
»War sie bei Ihnen?«
»Sie kam gegen halb vier nach Hause. Von da an war ich mit ihr zusammen, bis Sie mir die Tür eintreten wollten. Wir haben übrigens auf Yolande gewartet.«
»Das werden wir ebenfalls überprüfen.«
»Sie wird es Ihnen bestätigen.«
Meyer drehte sich zu Carella um.
»Geht es um illegalen Waffenbesitz?« fragte er.
»Es geht um Mord«, sagte Carella.
»Dann geht nach Hause,
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