Long Dark Night
meiner Tasche habe? Fünfzehn Dollar pro Stück?
Und jetzt sieht Curly Joe, wie Crack und Geld den Besitzer wechseln, von schwarz nach weiß und weiß nach schwarz, und plötzlich hält ein Taxi an, und ein langbeiniges, weißes Mädchen in einer Kunstpelzjacke und roten Lederstiefeln steigt aus. Sie kommt ihm irgendwie bekannt vor, aber Curly Joe kann sie im ersten Augenblick nicht erkennen. Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter, er wirkt benommen, als wäre er gerade von einem Bus überrollt worden. Danke, Max.
Das Mädchen wirft ihm eine Kußhand zu und dreht sich auf dem Bürgersteig um. Unter den Arm hat sie eine schmale, rote Kunstledertasche geklemmt…
He, Yolande, kommst gerade rechtzeitig.
… und Curly Joe erkennt sie wieder. Sie ist eine Nutte, die ihm Jamal Stone mal geschickt hat, als er zwei Scheine auf ein Pferdchen setzen wollte und gerade knapp bei Kasse war. Ihr Name war Marie St. Ciaire, und sie verabreichte Curly Joe den besten Blowjob seines Lebens, hat Ollie schon mal von einem marokkanischen Schluck gehört? Jetzt folgt die nächste große Konferenz auf dem Bürgersteig. Curly Joe sieht, wie Richie mit den Händen redet. Sechshundert Dollar von den drei kleinen Jungs, zweihundert pro Nase für die nächsten paar Stunden, er nickt ihr zu, du läßt mich mitmachen, und ich werfe noch fünf Jumbos in den Topf - große Konferenz auf der Ainsley Avenue - wir gehen alle zu mir, nehmen ein bißchen Crack und kommen dann zur Sache, Schwestah, haste verstanden, was ich meine?
Nun, ich bin seit elf Uhr gestern abend unterwegs, es war eine lange Nacht, Bruder, und vielleicht sollten wir darauf verzichten, wenn wir nicht noch etwas nachschieben können.
Wieviel sollen sie denn nachschieben? Wie süß muß es sein?
Wenn ich bei der Party mitmachen soll, brauche ich zehn Jumbos …
Kein Problem.
Und einen Riesen von den Studenten hier. Aber weil ihr alle so süß seid, mache ich es vielleicht für neun. Können wir uns auf acht einigen?
Ich kann’s nicht für unter neun machen. He, ihr seid echt süß, aber…
Wie ist es mit acht fünfzig?
Es müssen neun sein, oder ich bin raus aus der Sache.
Nimmst du auch Travellerschecks?
Abgemacht.
»… und dann haben sie alle angefangen zu lachen. Sie müssen ihre Verhandlung abgeschlossen haben, glauben Sie nicht auch?« sagte Curly Joe. »Denn im nächsten Augenblick hakt sie sich bei zweien der Jungs unter, und alle marschieren in Richtung Richards Bude, sie in ihrer roten Jacke und Richie in seinem schwarzen Leder und die drei Jungs mit ihren Kapuzenparkas mit einem großen weißen P und einem Football auf dem Rücken.«
Der Tagesanbruch trägt seinen Namen zurecht.
Im Gegensatz zum Sonnenuntergang, wo die Farben noch lange, nachdem die Sonne am Horizont versunken ist, am Himmel verweilen, ist die Röte, die den Sonnenaufgang angekündigt, aber nur kurz zu sehen, und plötzlich ist es Morgen. Plötzlich ist der Himmel hell. Der Tag bricht buchstäblich an, überrascht die blaßrosafarbene Nacht, läßt sie sich fluchtartig zurückziehen.
Sie betrachteten den Tagesanbruch in der Stadt von den Fenstern des Dienstraums im zweiten Stock des alten Reviers aus. Es würde auch heute wieder kalt und klar sein. Die Uhr an der Wand des Raums zeigte 7 Uhr 15 an.
Kurz nach halb acht trudelten die Detectives zum Schichtwechsel ein. Offiziell war das die Acht-bis-vier-Schicht, aber sie begann um 7 Uhr 45, weil viele der uniformierten Beamten auf ihrem Posten abgelöst wurden, und die Detectives - die einst alle ihre Runden gegangen waren - ehrten diese alte Tradition. Sie hingen ihre Hüte und Mäntel an der Garderobe in der Ecke auf und wünschten allen einen guten Morgen, beschwerten sich über den ekelhaften Kaffee aus der Kanne im Schreibbüro am Ende des Korridors, setzten sich auf die Ecken ihrer Schreibtische und tranken ihn trotzdem aus durchweichten Pappbechern. Draußen stürmte der Wind gegen die Fenster.
Sie setzten jetzt ein Doppelteam auf den Dyalovich-Mord an, weil es nun schon mehr als einunddreißig Stunden her war, daß sie den Fall übernommen hatten, und sie der Person oder den Personen, die den Mord verübt hatten, noch nicht viel näher gekommen waren. Außerdem war schon ein voller Tag vergangen, seit sie die Leiche von Yolande Marie Marx in der Gasse zwischen der St. Sab’s und First gefunden hatten. Der Fall Marx gehörte einer alten Regel zufolge - wer als erster am Tatort ist, bekommt den Fall! - zwar offiziell ihnen, doch
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