Long Reach
zu.
»Achtzehnzwanzig. Typ namens Myatt. Hat mit sieben Bund angefangen. Zuerst hat man ihn ausgelacht, weil das Zeug bis dato nur als Medikament bekannt war. Achtzehnfünfzig hat er dann jährlich neunzigtausend Bund umgesetzt. Hat sich was getraut. Ist das Risiko eingegangen. Hatte eine Vision.«
Cheryl goss Vanillesauce über den Auflauf und stellte eine Schale vor mich auf den Tisch. »Hier ist dein Medikamenten-Nachtisch.«Sie zwinkerte. »Tommy quillt über vor solchem unnützen Wissen.«
»Also, euch bleiben ja nur noch ein paar Monate, bis ihr mit der Schule fertig seid, oder?«, fuhr Tommy fort.
Sophie nickte, als fände sie das Thema todlangweilig. Offensichtlich fragte er sich, genau wie Millionen anderer Eltern auf der Welt, was zum Teufel sein Kind außerhalb des Schulsystems eigentlich mit sich anfangen wollte.
»Was willst du danach machen, Eddie?«, fragte er.
»Ich hab noch nicht richtig darüber nachgedacht«, sagte ich.
»Solltest du aber. Du scheinst mir ein kluger Kerl zu sein.« Er blickte mir ins Gesicht, länger, als mir angenehm war. Nicht dass ich mich vorher wohlgefühlt hätte. Ich würde etwas ausholen müssen.
»Ich bin nicht so schlecht mit Computern«, erklärte ich ihm. »Und Sprachen. Ich hatte einfach nicht besonders viel Anleitung. So ohne meine Mum und meinen Dad.«
Ich spürte einen Schauer im Rücken, als ich die Lüge auftischte, denn es war nicht zu übersehen, dass Tommy Kelly darauf hereinfiel. Seine Augen glitzerten und er tätschelte mir die Hand. »Ich verstehe gar nichts von Computern oder Sprachen«, sagte er, »aber das hat mich bisher nicht schrecklich behindert. Der einzige Computer, mit dem ich umgehen kann, ist der hier.« Er tippte sich an die Stirn. »Aber wenn du dich damit auskennst, könntest du mir vielleicht zur Hand gehen.«
Er kratzte die Vanillesoße aus seiner Schale und stürzte eine Tasse schwarzen Kaffee hinunter. »Und jetzt führ ich dir den Bristol vor, bevor ich zu besoffen bin.«
Der Wagen roch nach Leder und einem Aroma von Teer, Öl und Benzin, das man aus alten Garagen kennt. Innen war er schlicht, nicht so vollgestopft wie ein modernes Auto. Das Armaturenbrett sah aus wie eine Flugzeugkonsole: schwarze Anzeigen mit leuchtenden Ziffern und Buchstaben. Durch die Ledersitze konnte ich die Sprungfedern spüren.
Tommy drehte den Zündschlüssel und der Motor heulte auf. Tommy schaute mich an und grinste, als freue er sich jedes Mal wie ein Schneekönig, wenn er den Motor anließ. Er hatte einen dicken roten Schal um seinen Hals geschlungen und ein Paar spezielle Autohandschuhe mit Löchern angezogen. Dazu noch die karierte Kappe und schon sah er aus wie einem alten Film über den Motorsport entstiegen. Der Gang rastete ein und dann ging es über den Kies, die Auffahrt hinunter und weg vom Sicherheitsgefühl, das Sophie und ihre Mutter spendeten. Wir dröhnten die Straße hinab. Innerhalb weniger Minuten waren wir schon auf einer Zufahrt zur Bundesstraße, wo Tommy dann richtig auf die Tube drückte.
»Geht ab wie eine Bombe, was?«, sagte er. »Hat noch ziemlich viel Wumms für ein altes Mädchen aus den Fünfzigern.«
»Fantastisch«, sagte ich, ohne ganz zu verstehen, was er meinte.
»Ich bin kein großer Fan dieser modernen Autos mit ihrem ganzen Gepiepse und Gedöns. Ist was für Friseure und Lackaffen. Ich steh mehr auf ältere Modelle mit anständiger Polsterung.« Er hielt inne und warf mir einen Blick zu. »Wie meine Alte«, fügte er hinzu und brach in brüllendes Gelächter aus.
Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, und sah aus dem Fenster. Er schien darauf zu warten, dass ich irgendwas sagte.
»Verstehen Sie das nicht falsch, Mr Kelly«, sagte ich, »aber ich finde Ihre Frau wunderbar.«
Tommy lachte wieder und grinste dann erfreut vor sich hin. Innerhalb weniger Stunden war aus Tommy Kelly, dem gefürchteten Menschenfresser, jemand Warmes, Freundliches … Kuscheliges geworden. Fast hätte ich vergessen, mit wem ich es zu tun hatte.
»Die Tochter ist auch nicht schlecht«, sagte er nach einem Moment, und da fiel es mir wieder ein. Die richtige Antwort wusste ich nicht, also versuchte ich mich an etwas Harmlosem.
»Versteht sich von selbst«, sagte ich.
»Sie ist ein wunderschönes Mädchen«, sagte Tommy. »Sie mag dich. Sei nett zu ihr.«
»Das bin ich.«
Schweigend fuhren wir weiter. Das Motorbrummen des Bristol war die einzige musikalische Untermalung, die Tommy brauchte. Mein Herz schlug wie ein
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