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Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cocks
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in die Küche. Sie war riesig, fast so groß wie unsere alte Wohnung, mit richtigen Steinplatten auf dem Boden und einem von diesen Herden, die dem Aussehen nach eher in ein Restaurant gehören. Irgendetwas, das darauf vor sich hinköchelte, roch wirklich gut, und mir knurrte der Magen.
    »Hungrig?«, fragte Sophie.
    Bevor ich antworten konnte, trat eine Frau ein. Ich schätzte sie auf um die fünfzig, aber ihr Haar war glatt und blond und ließ sie zehn Jahre jünger wirken. Sie war gebräunt und wunderschön angezogen, in hellgrau und schwarz, was ziemlich edel aussah. Obwohl sie nichts Aufreizendes trug, konnte ich deutlich erkennen, dass sie ein eindrucksvolles Dekolleté hatte. Für ein altes Mädchen war sie durchaus begehrenswert.
    Durchaus.
    Sie stieß einen Quietschlaut aus und schlang einen Arm um Sophie.
    »Mum«, verkündete Sophie, »das ist Eddie.«
    Sophies Mum trat einen Schritt zurück und musterte mich. »Soph hat mir von dir erzählt.« Ihre Stimme war warm,Südlondoner Dialekt. Wenn sie lächelte, sah sie Sophie sehr ähnlich. Schöne Zähne.
    Ich schüttelte ihr die Hand. »Hoffentlich nur Gutes. Freut mich, Sie kennenzulernen, Mrs Kelly.«
    »Cheryl«, sagte sie. »Natürlich nur Gutes. Schließlich wollen wir ja nicht, dass sich Sophie mit bösen Buben herumtreibt, oder? Kann ich dir was zu Trinken anbieten, Eddie? Sophie, hol Eddie ein Getränk.«
    »Bier?«, fragte Sophie.
    Ich nickte. Irgendwas, um die Nerven zu beruhigen. Sophie reichte mir ein San Miguel aus dem riesigen amerikanischen Kühlschrank und ich nahm einen Schluck.
    »Wo bist du her, Eddie?«, erkundigte sich Cheryl.
    »Ursprünglich aus New Cross. Jetzt wohne ich in Greenwich   – na ja, eigentlich Deptford.«
    »Tommy und ich haben nach unserer Hochzeit eine Weile in New Cross gewohnt«, sagte sie.
    »Bisschen harte Gegend inzwischen«, sagte ich, da mir sonst nichts einfiel.
    »Immer schon.« Sie lächelte. »Wohnst du bei deinen Eltern?«
    »Nein, die sind beide schon gestorben«, erklärte ich ihr. »Ich hab eine eigene Wohnung.«
    Cheryl Kellys Gesicht wurde sofort ganz weich. Sie trat auf mich zu. »Oh, das tut mir leid. Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen, Schätzchen.« Sie umarmte mich und die Wolle ihres Kleids war ganz warm und kuschelig. »Wir werden uns um ihn kümmern, nicht wahr, Soph?«
    Sophie sah mich über die Schulter ihrer Mutter an, verdrehte die Augen und zeigte mit dem Daumen nach oben   –als ob ich gezielt auf die Tränendrüse gedrückt und damit das gewünschte Ergebnis erzielt hätte. Sophies Mum zog mich noch einmal an sich und küsste mich auf die Wange und von diesem Moment an wusste ich, dass ich Cheryl Kelly fast genauso sehr mochte, wie ich auf ihre Tochter stand.
    »Also, warum gehst du nicht rein und begrüßt deinen Vater, während ich das Essen auf den Tisch stelle?«, sagte Cheryl. »Der brennt schon den ganzen Morgen darauf, dich zu sehen, Sophie.«
    All die warmen Gefühle, die die Begegnung mit Cheryl in mir geweckt hatte, lösten sich auf der Stelle in Luft auf.

Sechsundzwanzig
    Der Boss war auch nicht gerade das, was ich erwartet hatte.
    Sophie nahm mich bei der Hand und führte mich aus der Küche in einen großen Hausflur, der nach Zigarren und Möbelpolitur roch. Ein Mädchen räumte den offenen Kamin aus. Ihre Miene hellte sich bei Sophies Erscheinen sichtbar auf.
    »Hey, Daska«, sagte Sophie.
    »Hallo, Sophie, wie geht’s?«, grinste Daska. Ihr Akzent war unüberhörbar, polnisch oder so was.
    »Gut, danke. Das hier ist mein Freund Eddie. Ist Dad da drin?« Sophie wies auf eine Tür, die vom Flur abging. Daska nickte und lächelte mir dann zu, als wären wir alle Teil einer großen, glücklichen Familie.
    Das Zimmer, in das Sophie mich zog, war lang, hell und luftig, mit Blick auf den Garten. Der Boden war bedeckt von Teppichen, die antik aussahen, und an den Wänden hingen Gemälde, überwiegend moderne, wie in einer Kunstgalerie. Es gab einen riesigen, massiven Holzschreibtisch, auf dem sich Kunstbildbände und Zigarrenkisten stapelten,und jenseits dieses Tisches, auf einem schwarzen Ledersofa, saß Tommy Kelly.
    Er war nicht annähernd so groß, wie ich gedacht hatte. Ich hatte mir bisher einen Schrank von einem Mann ausgemalt, aber als Tommy Kelly aufstand, war er nicht größer als ich, vielleicht eins fünfundsiebzig. Als er Sophie sah, erschien ein breites Lächeln auf seinem sonnengebräunten Gesicht und teure weiße Zähne wurden sichtbar.
    »Hallo,

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