Long Reach
miteinander Geschäfte.«
Es leuchtete durchaus ein, dass sie sich kannten. Natalie war Sophie sehr ähnlich: Beide hatten den gleichen zwanglosen Charme und die dialektfreie Aussprache, die Natalie im Fernsehen so beliebt gemacht hatten. Und beide sahen unglaublich gut aus.
Ich fragte mich, in was für einer Branche Natalies Vater so unterwegs war. Isolierglas war es wohl eher nicht. »Ich kann’s nicht fassen, dass du mir nie davon erzählt hast«, sagte ich.
»Du hast nie danach gefragt.« Sophie lachte. »Ich geb doch nicht an mit so was.«
Wieder betrachtete ich die steife weiße Karte. Es war das erste Mal, dass ich unsere Namen nebeneinander sah:
Miss Sophie Kelly und Mr Eddie Savage.
Wie es so auf dem Papier stand, gefiel es mir. Ich gewöhnte mich gerade richtig an meinen neuen Namen und fühlte mich, als gehöre er zu mir.
Es gab eine Liste von Verhaltensregeln: keine Fotos, keine Telefone, kein Wort an die Konkurrenz von der Presse …
»Ich sollte mir besser einen Anzug kaufen.«
»Wir gehen am Samstag zusammen shoppen«, sagte Sophie und küsste mich. »Ich helf dir aussuchen.«
Nachdem Sophie weg war, wollte ich es unbedingt jemandem erzählen. Seit meinem ersten Treffen mit ihren Eltern waren sechs Wochen vergangen und schon war ich in denSchoß der Familie aufgenommen. Ich wusste, dass Tony Morris sich über meine Fortschritte freuen würde.
Ich rief ihn von einer Telefonzelle am Bahnhof Deptford an. Das Handy wollte ich nicht benutzen, damit nicht andere mithörten, wie ich meine Strebernummer abzog.
»Von wo rufst du an?« Immer seine erste Frage.
»Telefonzelle«, sagte ich. »In Deptford.«
»Bist du in Schwierigkeiten?« Er klang besorgt.
»Nein. Nein, gar nicht, Tony«, sagte ich, etwas enttäuscht über seine Ängstlichkeit. »Gute Nachrichten. Ich bin auf eine Hochzeit eingeladen, mit Sophie Kelly.«
»Wo?«, fragte Tony.
»Irgendwo in Sussex. Bei berühmten Leuten – Natalie Holmes und Liam Baldwin. Du weißt schon, der Fußballer. So eine riesige Nobelveranstaltung … wird von dieser Zeitschrift
OK!
organisiert.«
Am anderen Ende der Leitung wurde Tony ganz still. Alles, was ich hören konnte, war der Feierabendverkehr, der hinter mir weiterpolterte.
»Bist du jetzt völlig durchgedreht?«, fragte er nach einer Weile.
»Was?« Mein Enthusiasmus verpuffte. »Ich dachte, das wäre eine gute Gelegenheit, um der Familie näherzukommen.«
»Ja, und das unter den Augen der halben verdammten Bevölkerung.« Tony wurde lauter. »Überleg doch mal, die Zeitschrift liegt in jedem Supermarkt Englands rum, mit deiner Fresse drin, wie du zwischen den Scheißpromis rumhüpfst, immer schön an der Seite des Verbrecherkönigs schlechthin.«
»Daran hatte ich nicht gedacht«, gab ich zu.
»Hast du’s schon Ian erzählt?«
»Nein, ist erst eben passiert. Tut mir leid, Tony. Ich hab mich da nicht absichtlich reinmanövriert.«
»Alles klar. Entschuldige, dass ich dich angebrüllt habe, Kumpel. Aber wirklich, du musst dich da wieder rauswinden.«
Samstagmorgen fuhren wir über die Waterloo Bridge ins West End. Sophie hatte sich das BM W-Cabrio ihrer Mutter ausgeborgt und wir hatten das Verdeck unten. Es war kalt, aber sonnig, und die Skyline Londons sah im hellen Licht ganz frisch und klar aus, wie der Hintergrund in einem Filmvorspann.
Auf der Hinfahrt hatte ich nicht viel gesagt, aber der pfeifende Fahrtwind und die Mark-Ronson-Remixes machten ein Gespräch ohnehin unnötig. Sophie fuhr um die Südseite von Trafalgar Square herum, eben dort, wo Tony mich vor einigen Monaten zum Treffen mit Sandy Napier geschleppt hatte. Sie parkte an einem kleinen Platz irgendwo bei Haymarket und stellte den Motor ab. Surrend fuhr das elektrische Dach heraus und warf seinen Schatten über uns.
»Also, was ist los mit dir?«, fragte sie, ohne mich anzublicken.
»Nichts«, antwortete ich.
»Dann hör auf zu gucken, als hättest du Maikäfer gefrühstückt, und lass uns einkaufen.«
Das war ein Satz, den ich mir aus dem Mund ihrer Mutter vorstellen konnte, und ich musste lächeln. »Entschuldige«, sagte ich und drückte ihre Hand.
Die Straße, die wir entlanggingen, war gesäumt mit dem, was man wohl Herrenausstatter nannte: Hüte, Tweedsakkos, feine Hemden und Wildlederschuhe, wie Tommy Kelly sie trug. Wir blickten in ein Schaufenster, in dem Schuhe aller Farben und Formen ausgestellt waren. Ich erwischte Sophie, wie sie auf meine abgewetzten Nikes runterlinste.
»Rein mit
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