Long Reach
bestellter Muskelmann zu uns und schützte unsere Privatsphäre mit einem schwarzen Riesenschirm.
Sämtliche Gäste wurden einen Pfad hinaufeskortiert, der zur Dorfkirche und zu dem stattlichen Anwesen dahinter führte, wo der Empfang stattfinden würde.
Wir bildeten eine Schlange, während der Sicherheitsdienst die Einladungen einzeln überprüfte und allen die Handys abnahm. Sie wurden mit einem Namensschild versehen, eingetütet und in eine Kiste gelegt. Sophie händigte ihr iPhone aus. Ich gab meines auch ab, behielt aber das kleine Notfallhandy, das in meiner Socke steckte.
Nur, falls ich meine Hotline zu Tony oder Ian Baylis brauchen sollte.
Vor uns bei Tommy und Cheryl schien es nicht weiterzugehen. Der Securitykerl am Kirchtor suchte ihren Namen auf der Liste.
»Darauf werden Sie ihn nicht finden«, sagte Tommy mit einem geduldigen Lächeln.
Der bullige Typ begann, unter seinem Anzug die Muskeln spielen zu lassen. Er hatte einen kahl rasierten Schädel und sah reichlich hohl aus. Hinter den Augen totale Leere.
»Tut mir leid, Sir«, sagte er. »Wenn Ihr Name nicht auf der Liste steht, kommen Sie hier nicht durch.« Er stierte Tommy immer noch an, seinen Gorilla-Ausdruck ins Gesicht gestanzt. Keine Ausnahmen, wollte er damit sagen. Egal, wer’s ist.
Tommy schaute zu Cheryl und lächelte. »Entschuldige, Liebling«, sagte er. »Sieht so aus, als müssten wir wieder heimfahren, was?«
Das gab Ärger, ich konnte es spüren, und in meinem Bauch begann es zu brodeln. Die Leute hinter uns in der Schlange begannen, ungeduldig zu murren. Dave, TommysFahrer, hatte die ganze Zeit neben uns gestanden. Jetzt trat er zu dem Sicherheitsmann.
»Das ist Mr Kelly«, sagte er leise. »Ich schlage vor, du sagst deinem Boss Bescheid.«
Der Securitytyp sah Dave an, der ihn noch um einige Zentimeter überragte. Er zog sein Walkie-Talkie raus und murmelte etwas hinein. Innerhalb von Sekunden kam ein besorgt aussehender Mann über den Rasen gerannt, stolperte über die eigenen Füße und stieß einen Schwall von Entschuldigungen aus.
»Kommen Sie bitte hier entlang, Mr Kelly«, stotterte er. »Bitte vielmals um Verzeihung für das Missverständnis …«
Tommy hielt kurz inne, um mit dem kreidebleich gewordenen Gorilla zu sprechen. Die Aggression hatte sein Gesicht verlassen. Jetzt war nur noch der feige, fette Fiesling zu sehen, der er eigentlich war.
»Nächstes Mal wissen Sie dann, wer ich bin, nicht wahr?« Tommys Stimme war gelassen und freundlich.
»Ja, Mr Kelly. Tut mir leid.«
»Und in Zukunft würde ich es mal mit Lächeln versuchen.«
Tommy stopfte dem Mann irgendwas in die Brusttasche und führte Cheryl durch das Tor. Unsere Einladungen schaute sich der Wächter nicht einmal an und Sophie und ich folgten ihren Eltern den Pfad zur Kirche hinauf.
Als die Gäste beim Verlassen der Kirche auf den Rasen strömten, wurde erst richtig klar, wie viele Leute hier eingeladen waren. Die Grünfläche erstreckte sich bis zu einer Terrasse vor dem Haupthaus, wo weiß livrierte Kellner mitTabletts voll gekühltem Champagner warteten. Sophie und ich stiegen zur Terrasse hoch, wo sie mit Mädchen plauderte, die sie kannte. Jedes Mal, wenn sie mich vorstellte, bekam ich den gleichen musternden Blick ab: eine unausgesprochene Frage, wie ich mich darauf bloß hatte einlassen können. Wenn ich sah, mit welcher Ehrerbietung neunzig Prozent der Gäste Tommy Kelly behandelten, musste ich mich dasselbe fragen.
Die Terrasse war vollgestopft mit Promis der A-, B- und C-Liga . Da war ein weltberühmter Sänger im weißen, mit Medaillen behangenen Seidenanzug, an seiner Seite sein Freund ganz in Himmelblau. Moderatoren von Realityshows. Ein Schauspieler aus
EastEnders
. Dazu Vertreterinnen verschiedener aktueller Girlbands, die wirkten, als hätten ihre Plattenfirmen sie als diplomatische Abordnung geschickt. Sie sahen alle ein bisschen kleiner und besser aus als im Fernsehen. Und dann die Fußballer, haufenweise. Einige Gesichter erkannte ich, andere hatte ich noch nie gesehen. Liam Baldwin war ein beliebter Bursche.
Die ältere Generation war durch Paare von der Art Tommy und Cheryl Kellys vertreten: wohlerhaltene, mittelalte Typen mit permanenter Urlaubsbräune. Die Frauen hatten den Botox-Ausdruck im Gesicht und die Männer rauchten alle Zigarre. Die von Tommy Kelly war am längsten.
Erleichtert nahm ich zur Kenntnis, dass die Fotografen nur an den prominenten Gesichtern interessiert waren und dass diese auch alle
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