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Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cocks
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bereitwillig posierten   – ein Arbeitstag wie jeder andere. Als Sophie zu einem Gruppenfoto mit der Braut und ihrer Freundinnenclique abgeschleppt wurde,verzog ich mich in eine schattige Ecke und stibitzte mir unterwegs ein weiteres Glas Champagner vom Tablett eines Kellners.
    »Immer langsam, der Herr«, sagte der. »Sie sollten klaren Kopf bewahren.«
    Ich wollte etwas Witziges zurückschießen, aber dann erkannte ich den Mann hinter dem Schnurrbart. Es war Oliver, der Typ, der immer an Baylis’ Seite rumgehangen und mich beobachtet hatte.
    »Was?«
, sagte ich.
    »Nur für den Fall«, sagte er. »Beachte mich gar nicht.«
    Ich tat wie geheißen, nippte am Champagner, der in meinem ausgedörrten Mund noch trockener wirkte, und machte mich auf den Weg dorthin, wo das Essen serviert wurde.

Fünfunddreißig
    Das Essen war schwer zu überbieten. Als Vorspeise gab es eine kalte Suppe, die nach Tomaten und Chili schmeckte. Klingt heikel, war aber großartig. Dann gab es so was wie ganz dünne Spaghetti mit Hummer, danach Roastbeef-Scheiben mit kleinen Yorkshire-Puddings, danach einen Obstsalat, der nach Kirschschnaps schmeckte, und Profiteroles mit Schokolade. Alles zubereitet von einem Starkoch, der herauskam und sich verbeugte. Es gab Weißwein, Rotwein und noch mehr Champagner für die Ansprachen, und obwohl ich von allem nur ein paar Schlucke nahm, fühlte ich mich gegen Ende allmählich etwas angezwitschert.
    Die Sonne ging langsam unter, als sich alle von ihren Tischen erhoben und in Richtung Festzelt aufmachten. Jetzt, wo es dunkel wurde, fühlte ich mich etwas entspannter. Oberhalb der Tanzfläche baute die Band ihre Anlage auf.
    Ein Fernsehsprecher, der verlässlich in Männermagazinen auftauchte und sich zwischen den Reden als Moderator hervorgetan hatte, stand auf und stellte die Band vor. Der Drummer zählte an und die Gitarren setzten mit einem Riff ein, das mir sehr bekannt vorkam.
    »Meine Damen und Herren«, brüllte der MC, »bitte begrüßen Sie auf der Bühne   … Mrs Liam Baldwin!«
    Natalie, immer noch im Hochzeitskleid, schnappte sich das Mikro und setzte zu ihrem Song an, der letztes Jahr ein Hit gewesen war.
    Alles jubelte und trampelte auf den Boden, und die Leute fingen an zu tanzen. Mitten in ihrem Song machte Natalie eine Ansage. Im Publikum wurde gejubelt und gejauchzt.
    Ein großer, bärtiger Mann schritt auf die Bühne und griff sich eine Gitarre. Er schnallte sie sich um, als wäre sie ein fehlender Körperteil, und spielte ein blendendes Solo, das sich über fünf Minuten erstreckte. Das ganze Zelt drehte komplett durch. Ich konnte Tommy Kelly sehen, die Zigarre zwischen die Zähne geklemmt, wie er übers ganze Gesicht strahlte und mit dem Kopf nickte, als stimme er jeder Note persönlich zu. Sophie knuffte mich in die Seite und verdrehte die Augen.
    »Sein Held«, brüllte sie mir ins Ohr. »Peinlich, oder? Nats Dad hat seinem Wohltätigkeitsprojekt fünfzig Riesen gespendet, damit der kommt und hier spielt, nur um meinen Alten zu beeindrucken.«
    Da begriff ich endlich, wer der Gitarrist war. Ich erinnerte mich an sein Gesicht vom C D-Regal zu Hause. Er war auch einer der Helden meines Bruders gewesen. »Der Mann ist ein Gott«, das hatte er immer gesagt.
    Wenn er mich jetzt hätte sehen können.
    Nach ein paar weiteren Songs legte die Band eine Pause ein und ein DJ übernahm mit einer dieser Hochzeitsfeierhymnen, mit denen man die Tanzfläche immer vollkriegt. Wie ich sie hasste.
    Ich war nicht sonderlich wild auf Tanzen, aber Sophie packte mich am Arm und zerrte mich auf die Tanzfläche. Ich wiegte mich ein bisschen hin und her, während Sophie richtig Haltung annahm und zeigte, was sie hatte. Sie tanzte mit Leidenschaft und sie war gut.
    »Mach schon«, grinste sie. Offensichtlich legte ich nicht genug Begeisterung an den Tag. Ich nahm noch einen Schluck Wein von unserem Tisch und fing an zu tanzen.
    »Come on, Eileen   …«
    Sophie schnappte sich meine Hand und wirbelte mich in ihre Richtung, und während sie das tat, fühlte ich das Winzhandy aus seinem Sockenversteck rutschen. Sah, wie es über die Tanzfläche glitt.
    Ich ließ Sophie los und ging zwischen den tanzenden Beinen auf alle viere, im verzweifelten Versuch, es mir zu schnappen. Es prallte gegen ein Stuhlbein am Rand der Tanzfläche, kreiselte ein paarmal um sich selbst und blieb endlich liegen.
    Direkt vor den Füßen eines lauernden Ordners.
    Ich wollte gerade danach greifen, doch der Typ kam mir zuvor,

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