Lord Camerons Versuchung
führen würde, dass Ainsley und Cameron allein zurückblieben. »Nein, wirklich, ich werde ihn selbst holen. Ich werde gleich zurück sein.«
Ainsley wandte sich um und lief auf das Unterholz zu, ehe der Graf mehr tun konnte, als leise zu protestieren. Ihr war weder die Erleichterung auf dem Gesicht des Mannes entgangen, darüber dass er sich nicht mit seinem tadellosen Anzug durch das Buschwerk kämpfen musste, noch hatte sie das flüchtige Lächeln auf Camerons Gesicht übersehen.
Es war kühl unter den Bäumen und der Boden nass und morastig. Ainsley ging ungefähr zehn Meter in das Unterholz hinein, ehe sie den Ball unter dem dichtesten Busch liegen sah. Sie stieß mit ihrem Schläger in den Busch und versuchte, ihn herauszuangeln.
»Gestatten Sie?« Cameron stand plötzlich neben ihr. Keine Entschuldigung, keine Erklärung. Da sein Arm länger war als ihrer, reichte er mit seinem Schläger weiter in den Busch hinein, und in kürzester Zeit hatte er Ainsleys Ball darunter hervorgeholt.
»Danke.« Sie begann, den Ball in kurzen Stücken Richtung Spielfeld zurückzuschlagen, weil sie ihn, so schmutzbedeckt, wie er war, nicht anfassen wollte, doch Lord Cameron stand ihr im Weg. Ein Paravent aus Bäumen schützte sie vor den Blicken vom Rasen her und bewirkte, dass sie im Grunde allein waren.
»Warum sind Sie so schrecklich zugeknöpft?« Cameron ließ seinen Blick über die wie Brombeeren geformten Knöpfe ihres Oberteils gleiten. Ein hübsches Kleid, hatte Ainsley gedacht, als Isabella ihr zugeredet hatte, es zu kaufen. Helles Grau mit einer Paspelierung in einem dunkleren Ton entlang der Säume des kurzen, leicht ausgestellten Oberteils und des Rockes. Der bis zum Kinn hinaufreichende Kragen war mit schwarzer Spitze eingefasst.
»Gestern Abend haben Sie sich etwas offenherziger gezeigt«, sagte Cameron. Er ließ den Griff seines Schlägers wenige Zentimeter über ihrer Brust schweben. »Ihr Ausschnitt ging bis hier.«
Ainsley räusperte sich. »Ein tiefer Ausschnitt für den Abend, hochgeschlossen am Vormittag.« Sie hatte versucht, Isabella klarzumachen, dass das Ballkleid zu freizügig war, aber Isabella hatte gesagt: »Das muss sein, Liebes. Ich will nicht, dass meine liebste Freundin aussieht wie eine altbackene Matrone.«
»Das hier steht Ihnen nicht«, sagte Cameron.
»Ich kann die Mode nicht ändern, Lord Cameron.«
Cameron drückte die behandschuhte Fingerspitze auf den obersten Knopf an Ainsleys Oberteil. »Öffnen Sie ihn.«
Ainsley wich zurück. »Was?«
»Knöpfen Sie Ihr verdammtes Kleid auf.«
Sie keuchte fast. »Warum?«
»Weil ich will, dass Sie es tun.« Auf Camerons Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, langsam und sinnlich, und seine Stimme klang noch tiefer als sonst. Gefährlich. »Und nun verraten Sie mir bitte, Mrs Douglas, wie viele Knöpfe Sie jetzt vor mir öffnen werden.«
5
Das ging doch nicht! Lord Cameron konnte nicht vor ihr stehen und sie auffordern, ihr Kleid zu öffnen! Hier, in diesem Wald, nur Schritte von der Crème de la Crème Europas entfernt, die auf dem Rasen des Dukes of Kilmorgan Krocket spielte.
»Also: wie viele?«, wiederholte Cameron.
Alle
. Ainsley hätte sich am liebsten die Knopfleiste aufgerissen und wäre auf die Erde gesunken, auch wenn es das neue Kleid ruiniert hätte.
»Drei«, krächzte sie.
Etwas Verruchtes blitzte in seinen Augen auf. »Fünfzehn.«
»Fünfzehn?« Die kleinen Knöpfe saßen eng beieinander, aber mit fünfzehn würde sie bis zur Mitte ihres Korsetts entblößt sein. »Vier.«
»Zwölf.«
»Fünf«, bot Ainsley schließlich an. »Mehr können Sie nicht erwarten, und ich werde sie wieder schließen, bevor wir zum Spielfeld zurückgehen.«
»Es ist mir verdammt egal, was Sie tun, ehe Sie zum Spiel zurückkehren. Zehn.«
»Sechs. Keinen mehr.«
»Zehn.«
»Lord Cameron.«
»Zehn, Sie dickköpfiges Frauenzimmer.« Er beugte sich vor, sein Atem berührte ihre Haut. »Ich werde höflich bitten, bis ich des Bittens müde bin, und dann werde ich diese hübschen Knöpfe einfach abreißen.«
Sie sah ihn unsicher an. »Das würden Sie nicht tun.«
»Doch, das würde ich.«
Ainsley befeuchtete ihre Lippen. Ihre Bitte um Schicklichkeit war unaufrichtig, und das wusste er. »Also, dann zehn.«
»Abgemacht.«
Sie musste den Verstand verloren haben. Sie konnte nicht hier stehen und sich von Lord Cameron das Kleid aufknöpfen lassen. Vor langer Zeit hatte sie sich halb von ihm entkleiden lassen, und sie war nur knapp mit
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