Lord Camerons Versuchung
wartet, nicht wahr? Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass er mich heiraten will. Er hat einmal gesagt, dass er selbst den Klang des Wortes Ehe hasst. Ich glaube, ich verstehe ihn. Ich kannte seine Frau nicht, aber nach allem, was ich gehört habe, muss sie grässlich gewesen sein.«
»Sie war mehr als grässlich, meine Liebe«, sagte Eleanor zwischen ihren nächsten beiden Schlucken Tee. »Lady Elizabeth hat ihn geschlagen.«
18
Ainsley stand der Mund offen. »Sie hat ihn geschlagen?«
»Meist mit einem Schürhaken.« Eleanors Stimme war ruhig, aber man hörte ihr die Abscheu an. »Cameron ist ein großer und starker Mann, deshalb hätte er sie natürlich aufhalten können, aber in der Regel hat er die Hauptlast auf sich genommen, um sie von Daniel fernzuhalten. Oder Elizabeth hat gewartet, bis Cameron betrunken war und geschlafen hat, und sich dann auf ihn gestürzt. Ein- oder zweimal hat sie ihm sogar Laudanum gegeben, hat Hart mir erzählt. Cameron musste immer auf der Hut sein, dass er nicht einschlief, wenn sie in der Nähe war.«
Was die Worte erklärte, die Phyllida Chase einmal geäußert hatte: dass Cameron niemals eine Frau mit in sein Bett nahm. Er nahm sie überall sonst, aber nicht in einem Bett. Das musste eine Angewohnheit sein, die er kultiviert hatte, um zu vermeiden, dass die Frau, mit der er einschlief, ihn mit dem Schlag eines Schürhakens auf seinen Rücken weckte. Die Narben auf seinen Oberschenkeln bekamen plötzlich eine neue und schreckliche Bedeutung.
Ainsley bemerkte, dass sie ihre zarte Porzellantasse viel zu fest umklammert hielt. Sie stellte das zerbrechliche Gefäß schnell ab. »Du lieber Himmel.«
Eleanor schüttelte den Kopf. »Elizabeth war eine grausame und verrückte Frau, und sie hasste Cameron dafür, sie in die Ehe gelockt zu haben. Sie war einige Jahre älter als er, und laut Hart hatte Cameron sich unsterblich in sie verliebt. Ich denke, dass Cameron als Sohn eines der reichsten Männer Englands zu verlockend für Elizabeth war, um ihm zu widerstehen. Hinzu kam, dass er den Titel erben würde, wenn Hart etwas geschehen sollte. Ihre Eltern unternahmen nichts, um Cameron vor ihr zu warnen; sie waren froh, ihre Tochter loszuwerden. Elizabeth hatte geglaubt, sie würde auch weiterhin einfach tun können, was ihr gefiel, verstehst du, und anfangs tat sie das auch. Als Cameron dann darauf bestand, dass Elizabeth ihm treu sein müsse, wurde sie hemmungslos. Es war von Anfang an eine unglückliche Beziehung.«
Ainsley musste bei ihren Worten an den Cameron denken, den sie kannte – aufrichtig, aber auch stur; der wusste, was er wollte, und nicht zuließ, dass ihm etwas dabei im Wege stand. Er konnte lachen, aber es schwang immer ein bitterer Unterton in seinem Lachen mit. Cameron hatte den Ruf, mit jeder Frau zu verkehren, die bereit dazu war, und er hatte sich nach Elizabeths Tod nie mehr auf eine Frau allein eingelassen.
Ainsley hatte angenommen, dass er aus Langeweile den Frauenhelden spielte, aber Eleanors Worten entnahm sie eine ganz andere Geschichte. Nachdem seine Ehefrau so schrecklich zu ihm gewesen war und zerstört hatte, was immer er an Vertrauen gehabt hatte, würde Cameron nie mehr den Gang zum Altar antreten wollen. Dies war also Camerons Sicht auf die Frauen: habgierig und egoistisch wie Phyllida Chase oder grausam und peinigend wie Lady Elizabeth Cavendish.
»Armer Cameron«, sagte Ainsley.
Eleanor lächelte, als sie ihre Teetasse zum Mund führte. »Sei vorsichtig, Ainsley. Sie verzaubern dich, diese MacKenzies, zuerst mit ihrer Verruchtheit und dann mit all dem, was dir das Herz bricht.«
»Warum hat Cameron sich nicht scheiden lassen?«, fragte Ainsley. »Er hatte doch gewiss Gründe genug. Oder seine Frau zumindest irgendwo weit weggebracht, weit weg von ihm und Daniel?«
»Eben Daniels wegen.« Eleanor füllte ihre Tassen auf und warf dann fünf Stücke Zucker in ihren frischen Tee. »Elizabeth wurde recht bald nach der Heirat schwanger, was sie fuchsteufelswild gemacht hat. Sie wollte nie Mutter werden. Sie bekam Wutanfälle und drohte, sich etwas anzutun oder zu versuchen, das Baby loszuwerden. Cameron wollte sie deswegen nicht aus den Augen lassen – er hat Daniel sogar schon vor dessen Geburt beschützt. Elizabeth hat immer wieder versucht, Cameron einzureden, dass Daniel nicht sein Sohn sei. Sie hat von einer ganzen Reihe von Männern behauptet, sie seien der leibliche Vater. Das Problem war, dass jeder von ihnen es auch tatsächlich
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