Lord der toten Seelen: Royal House of Shadows (German Edition)
freundliche Mann seinen Vorrat mit ihr geteilt. Gewalt und Schokolade waren in ihrem Unterbewusstsein untrennbar miteinander verbunden, aber sie ließ nicht zu, dass ihr das den Genuss dieser Köstlichkeit verdarb. „Du hast recht. Sie ist perfekt.“ Liliana leckte sich einen Tropfen von den Lippen und erinnerte sich, dass der Koch nach etwas gegriffen hatte, um es über die heiße Flüssigkeit zu streuen. „Es sei denn …“
Jissa, die gerade die Zutaten für ein Brot zusammensuchte, hörte nicht zu. „Sollen wir heute Morgen Haferbrei mit Obst machen, Liliana?“
„Vielleicht können wir das Obst in den Brotteig tun“, murmelte Liliana und stellte ihre Schokolade hin, um in den Schränken zu suchen. „Das schmeckt sicher gut, wenn wir es rösten.“
„Wonach suchst du?“
„Zimt.“
Jissa schüttelte traurig den Kopf. „Nein, kenne ich nicht. Habe ich noch nie gehört.“
„Ich bin mir sicher, hier ist irgendwo welcher.“ Wenn der jüngste Sohn von Elden Schokolade gefunden und mit nach Hause gebracht hatte, dann konnte er genauso gut nach dem Gewürz gesucht haben, das in seiner Heimat so häufig vorkam, dass man damit alles würzte, von Aufläufen bis zu Süßigkeiten … und die heiße Schokolade eines kleinen Jungen. Ein Quietschen begrüßte sie, als sie einen der unteren Schränke öffnete.
„Maus? Eine Maus!“ Jissa drehte sich mit hoch erhobenem Nudelholz um, das Gesicht wild verzogen. „Ekliges Vieh! Zeig sie mir, zeig sie Jissa.“
Liliana schloss die Tür. „Das war nur ein quietschendes Scharnier. Vergiss den Zuckersirup nicht, sonst ist das Brot nicht süß genug.“
„Du liebe Zeit!“ Jissa ließ abgelenkt ihr Nudelholz auf den Tisch fallen und rannte los, um den Sirup zu holen.
Sobald sie weit genug weg war, öffnete Liliana die Tür einen Spalt, legte den Finger auf die Lippen und flüsterte: „Hast du den Zimt gesehen?“
Kleine schwarze Augen leuchteten sie aus der Dunkelheit an, ehe ihr kleiner Freund herausgeschossen kam und auf der Schrankkante entlang bis in die hinterste Ecke der Küche rannte. Er schlüpfte gerade unter ein großes Regal, als Jissa zurückkehrte. „Oh, du musst mir helfen, Liliana“, wimmerte die Brownie. „Er mag einfach nicht, was ich mache, überhaupt nicht mag er es. Ich will nicht, dass du zurück in den kalten, so kalten Kerker geworfen wirst.“
„Ich helfe dir, keine Sorge. Gib mir nur einen Augenblick.“ Nachdem sie das Regal erreicht hatte, unter dem die Maus verschwunden war, betrachtete sie die vielen Reihen dunkelbrauner Gläser. Keines war beschriftet. „Na gut“, murmelte sie, doch dann entdeckte sie ein Aufblitzen von grauem Fell, das an der Seite der Regale entlangflitzte. Einen Augenblick später wurde ein Glas nur einen Millimeter nach vorn geschoben.
Sie griff danach und öffnete den Deckel. Darin befanden sich mehrere lange Stangen Zimt. „Danke“, formte sie mit den Lippen.
Die Maus zuckte mit der Nase, ehe sie hinter den Gläsern verschwand.
Liliana drehte sich um und stellte das Glas neben die kleine Dose mit der Schokolade. Dann half sie Jissa dabei, das Früchtebrot zuzubereiten, und machte dazu ein paar knusprige Gebäckstücke, die sie mit Konfitüre bestrich und mit frisch gerührter Butter.
„Oh, aber kein Fleisch.“ Jissa rang die Hände. „Er wird knurren und fauchen, und meine Knochen werden klappern, aneinanderklappern werden sie.“
Liliana hatte den Wächter des Abgrundes schon knurren gehört, und auch wenn es erschreckend war, in ihren Träumen verfolgte es sie auf eine ganz andere Weise – sie hatte geträumt, wie er das gleiche wilde Geräusch an der Haut einer Frau machte … an
ihrer
Haut. Und jetzt, da sie sich die Erinnerung erlaubt hatte, konnte sie nicht verhindern, dass eine sündige Fantasie über sie kam. Es musste wohl bedeuten, dass sie den Verstand verloren hatte – denn welche Frau wollte den dunklen Lord in ihrem Bett?
„Fauchen und knurren“, sorgte Jissa sich immer noch. „Fleisch wird er verlangen! Fleisch!“
„Wir werden sehen“, sagte sie mit trockener Kehle und fing an, den Zimt zu reiben, bis er ein Haufen feiner Staub war, den sie zurück in das Glas schaufelte. „Wo steht die Milch?“
Der Wächter des Abgrundes hatte nicht geschlafen. Er schlief nie. Wenn sich die Nacht über die Schwarze Burg legte, strich er in Begleitung der Geister durch die Korridore. Manchmal ging er noch einmal auf die Jagd, denn das war sein Daseinszweck, und manchmal machte
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