Lord der toten Seelen: Royal House of Shadows (German Edition)
seinen neckenden Mund zu beißen. „Was wollt Ihr?“
„Prallbeeren-Kuchen mit Sahne.“
„Prallbeeren-Kuchen?“ Das war ein bekannter Nachtisch in Elden.
„Ja.“ Er verschränkte die Arme, der Kamm immer noch seine Geisel.
Sie wusste, ohne zu fragen, dass er Prallbeeren-Kuchen zuletzt in seiner Kindheit gegessen hatte, an die er sich nicht mehr erinnerte – aber er erinnerte sich an den Kuchen. In ihrem Herz keimte Hoffnung auf. Trotzdem gab sie seiner Forderung nicht gleich nach. Das würde ihn nur misstrauisch machen. „Wo soll ich Prallbeeren herbekommen?“ Selbst in Elden starben die Bäume aus, wie so vieles andere.
„Ich besorge sie.“ Ein grimmiger Blick. „Du machst den Kuchen.“
„Gebt mir zuerst den Kamm.“
„Erst der Kuchen.“
„Ich brauche den Kamm nicht mehr, wenn mein Haar schon trocken und verzottelt ist.“
Ein düsterer Blick. „Wage es nicht, mich zu hintergehen, Liliana.“
Ihr Bauch zog sich eng zusammen, als sie ihren Namen aus seinen Lippen hörte. „Ich bin nicht diejenige, die die Regeln zivilisierten Benehmens missachtet.“ Sie streckte die Hand aus. „Den Kamm.“
Er ging auf sie zu, bis er ihr wieder viel zu nahe war, beugte sich vor und roch an der Kurve ihres Halses. „Hübsch.“ Dann gab er ihr den Kamm und ging hinaus.
Mit weichen Knien stolperte sie zum Bett und ließ sich darauffallen.
Oje. Oje.
Der Wächter des Abgrundes sollte nicht so sehr … „Ja. Einfach nur
sehr
.“ Als sie merkte, dass sie mit sich selbst redete, hob sie die Hand und begann, den Kamm durch ihr Haar zu ziehen. Nachdem sie fertig war, lag es glatt über ihren Schultern, und sie wusste, dass es auch nach dem Trocknen noch weich sein würde.
Ihr weibliches Herz seufzte vor Wonne. Noch nie war ihr Haar so weich und seidig wie das anderer Frauen gewesen – ihrer Mutter, der Hofdamen, der Mätressen, die ihr Vater sich hielt. Bis zu ihrem siebten Lebensjahr, als sie gelernt hatte, mithilfe ihrer Zauberkraft Wasser zu erwärmen, hatte ihr Vater sie gezwungen, eiskalt zu baden und nur die gröbste Seife zu verwenden.
Schwach, so schwach. So bekommst du vielleicht etwas mehr Lebenskraft.
Bewirkt hatte es nur, dass ihre Haut blau angelaufen war und sie das Baden fast ganz aufgegeben hätte. Sie war nur zurückgekommen, weil sie gewusst hatte, dass die Strafe für das Missachten des Willens des Blutmagiers schlimmer war als die Kälte, die nach dem Waschen in die Knochen kroch.
Sie legte den Kamm zurück auf den Waschtisch, als die Erinnerungen drohten, ihr die Wärme aus den Knochen zu rauben, stand auf und strich die Vorderseite ihres wunderschönen roten Kleides glatt. Und dann, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand in der offenen Tür stand, drehte sie sich vor dem Spiegel, sodass der Rock sich in alle Richtungen hob. „Danke“, flüsterte sie dem gefürchteten Lord der Schwarzen Burg zu.
Prallbeeren hießen so, weil die faustgroßen dunkelvioletten Beeren, wenn sie reif waren, so voller Saft standen, dass sie fast platzten. Reisende bedienten sich gern des Tricks, sie in einen Wasserlauf zu legen, bis sie kühl waren, und die Beeren dann zu zerstoßen und den dickflüssigen durststillenden Saft herauszupressen.
„Manchmal, auf den Bauernhöfen, fügen sie Milch und Zucker hinzu, hat der Koch mir erzählt“, sagte Liliana, während sie die Füllung für den Kuchen herstellte, keine zwölf Stunden nachdem der Mann, der ihr ein rotes Kleid geschenkt hatte, versprochen hatte, die Beeren aufzutreiben.
Jissa riss die Augen auf. „Köstlich, klingt köstlich.“
Liliana erinnerte sich, dass man von Brownies sagte, sie liebten jede Art von Süßigkeit. „Sollen wir es versuchen?“, fragte sie wagemutig. „Seine Lordschaft wird es nicht merken, er hat so viele Beeren mitgebracht.“ Wahrscheinlich hatte er einen ganzen Baum abgeerntet, diese gierige Kreatur.
„Liliana“, rügte Jissa. „Du darfst ‚Seine Lordschaft‘ nicht in dem Ton sagen. Wenn er das hört, oh nein, oh nein.“
„Keine Sorge, Jissa. Er wird nur drohen, mich in den Kerker zu werfen, und ich besteche ihn mit Essen.“ Sie lachte über den Gesichtsausdruck der Brownie und stellte etwas von dem Püree in einem Krug beiseite. „Warum rührst du nicht so viel Milch und Zucker ein, wie du magst?“
Jissa biss sich auf die Unterlippe. „Wir sollten nicht.“
Liliana senkte die Stimme. „Ich verrate nichts.“
Die Verlockung war stärker als Jissas Furcht, und schon bald stand die
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