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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Aspekt von mir ist hier. Ich selbst befinde mich auf dem Schiff. Radio Gamma ist, besser gesagt: war ein Medium des Advenion. Für die damalige Zeit, Mitte des dritten Jahrtausends, ein Relikt, aber für euch Menschen des Jahres 2017 kaum aus dem Alltag wegzudenken. Das Advenion konnte euch nicht mit der Welt des 23. Jahrhunderts konfrontieren, denn diese hätte keine Glaubwürdigkeit besessen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts fühlten sich die Menschen jedoch noch von globalen Katastrophen bedroht; etwa der Kollision der Erde mit einem anderen Himmelskörper oder einem nuklearen Inferno. Wir entdeckten weder für das eine noch für das andere irgendwelche Beweise. Daß sich das Advenion für eine nukleare Katastrophe im Sinne einer verstrahlten Erde entschieden hatte, mag jedoch ein Hinweis auf das sein, was im 23. Jahrhundert wirklich geschehen ist. Allerdings nicht als Folge eines Nuklearkrieges, denn Atomwaffen waren zu dieser Zeit so prähistorisch wie Radios. Für euch, die ihr aus dem angehenden 21. Jahrhundert gerissen wurdet, war dieses Szenario zwar schockierend, aber plausibel. Ihr hattet euch über ein halbes Jahrhundert lang mit den Auswirkungen einer solchen Katastrophe beschäftigt, und eure Klone haben die Projektebenen – in Verbindung mit künstlichen Erinnerungen – anstandslos akzeptiert, getreu dem Motto: nun ist es also doch passiert.
    Ihr seid eine überaus paradoxe Spezies. Wir studieren euch seit sieben Monaten, und ich muß gestehen, daß wir nie zuvor auf so viele emotionale, ethische und soziale Widersprüche gestoßen sind. Zwei von uns haben eure Sprache gelernt, die amerikanische Sprache des Jahres 2017, um korrekt zu sein. Dazu alles über eure Kulturen, euer Denken, euer Wesen, eure Geschichte.«
    »Eine Sache verstehe ich dennoch nicht.« Ich hockte mich vorsichtig auf eine der Fensterbänke. »Warum entführten die Lords Menschen aus der Vergangenheit und nicht aus ihrer eigenen Zeit?«
    »Vielleicht, weil es damals, als das Projekt startete, keine Menschen mehr gab. Oder zumindest keine gesunden. Wie gesagt, wir wissen es nicht. Eine unserer Vermutungen ist, daß das gesamte Projekt ein automatischer Prozeß sein könnte, der erst nach der Katastrophe begann.«
    »Du meinst, so etwas wie ein computergesteuertes Programm, das ohne menschlichen Einfluß weiterarbeitet?«
    »Nun, es könnte zumindest von Menschen gestartet worden sein. Und dann, ohne Vorwarnung … Peng! Eine Armbanduhr läuft auch weiter, wenn ihr Träger stirbt. Ein Flugzeug bleibt so lange in der Luft, bis ihm der Treibstoff ausgeht, sofern es auf Autopilot geschaltet ist, selbst wenn die Besatzung handlungsunfähig ist. Verstehst du, was ich meine? Vielleicht gab es eine Katastrophe, und sie geschah dummerweise ein paar Tage oder Wochen früher als erwartet. Vielleicht kam niemand mehr dazu, den Stecker herauszuziehen oder die Stoptaste zu drücken, um das Projekt zu beenden. Womöglich kam ihnen auch das Sublime zuvor. Vielleicht kann es den BRAS-Raum verlassen und sich durch den Kosmos bewegen, von einem Planeten zum anderen, begierig nach Information, um letzten Endes wieder in ihn zurückzukehren, weil es ihn als eine Art Zuhause betrachtet.« Gamma wandte sich ab, sah hinunter auf die Dächer der Stadt. »Wenn es nun weiß, daß die Menschheit nicht einzigartig ist, sondern jenseits des Sonnensystems weitaus mehr Leben existiert, als es bisher annahm …« Er vollendete den Gedanken nicht, erklärte statt dessen: »Wir können nur einen verschwindend geringen Teil aller Projektebenen einsehen. Es müssen jedoch Hunderttausende sein. Der Informationsfluß, der sich aus diesen Ebenen mit ihren Bewußtseinsmustern ergibt, ist unvorstellbar. Eine der lebendigen Kolonien hast du gesehen. Norom hingegen ist verlassen.«
    Hinter einem der Fenster zuckte ein bläulich-weißer Blitz auf, kurz darauf, in rascher Folge, zwei weitere.
    »Nahezu verlassen …«, berichtigte sich Gamma, der ein paar Schritte zurückgetreten war, und rieb sich wie ein durchtriebener Kaufmann die Hände. »Wie sagt ihr doch gleich auf eurer Welt: mit Speck fängt man Mäuse!«
     
    Die Blitze rührten nicht von einschlagenden Plasmageschossen her. Ein halbes Dutzend der bizarren Dragger war wenige Kilometer vor der Stadt aufgetaucht. Mit ihren Montagearmen fast den Boden berührend, wendeten sie elegant über der Ebene und begannen in breiter Phalanx auf Norom zuzuschweben. Die schwarzen Schiffsleiber warfen keine Schatten.
    »Auf meiner

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