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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Klopfen regte sich nichts. Die Türen waren ohne Keycard von außen nicht zu öffnen. Ich rüttelte ungeduldig am Türknauf. Vielleicht war Hank unterwegs in der Station – wider besseres Wissen, es sei denn, der Lord hatte an ihm eine Gehirnwäsche vollzogen. Trotz der Stille beschlich mich das Gefühl, jemand stehe hinter der Tür und lausche.
    »Hank?« fragte ich gedämpft. »Hank, ich bin’s, Stan. Mach bitte auf, ich brauche deine Hilfe.«
    Keine Reaktion.
    »Ich weiß, daß du da drin bist, Hank. Ich kenn’ dich doch. Stehst barfuß hinter der Tür und hoffst, daß ich wieder abhaue, nicht wahr?«
    Für Sekunden blieb alles ruhig. Dann seufzte leise eine Türlinke, und die Tür öffnete sich einen Spalt breit. Der Streifen eines Gesichts lugte auf den Korridor, das Zimmer dahinter lag im Dunkeln. Es war eindeutig Hank, der herauslinste. Zweifellos hatte er seinen Fuß hinter der Tür postiert, damit ich sie nicht weiter aufschieben konnte. Sicherheitshalber plazierte ich meinen rechten Stiefel ebenfalls vor der Türleiste, um zu verhindern, daß Hank mir die Tür gleich wieder vor der Nase zuschlug.
    »Stan …«, flüsterte Hank. Seiner Stimme nach zu urteilen war es ihm gar nicht recht, daß jemand etwas von ihm wollte. »Bitte laß mich in Ruhe«, bestätigte er sogleich meine Vermutung. »Ich habe – zu tun. Komm morgen vorbei. Nein, besser übermorgen. Entschuldige mich jetzt.« Er wollte die Tür zuschieben, was jedoch mein Stiefel verhinderte.
    »He, du kannst mich nicht so einfach hängenlassen.« Ich lehnte mich mit der Schulter gegen die Türfüllung. »Ich mach’s auch kurz, Ehrenwort!« Ich hielt eine Schwurhand vor den Türschlitz.
    Als Hank erkannte, daß er die Tür nicht zuschieben konnte, wurde sein Atem hektisch. Ich bemerkte zudem einen seltsamen Gestank, der aus der Wohnung drang.
    »Ruhig Blut, Hank«, sagte ich angesichts seiner zunehmenden Verzweiflung über die verkeilte Tür. »Teufel, was stinkt denn bei dir da drin so?«
    »Geh – weg!« keuchte Hank. »Geh bitte weg!«
    Roter Alarm in Hanks Gesicht. Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Sportsfreund. Ich fürchte, das kann ich nicht.« Ich nahm mit dem Oberkörper Schwung und warf mich gegen die Tür. Hank wog zwar 180 Pfund, war aber nicht darauf vorbereitet. Mit einem verzweifelten Aufschrei wurde er nach hinten geschleudert, stolperte über irgendeinen Gegenstand und stürzte zu Boden. Einen Atemzug später stand ich bereits in seiner Wohnung und drückte die Tür ins Schloß. Der Gestank war extraordinär. Es roch nach ungewaschenem Körper, Kerzenrauch und diesem anderen Zeug, das ich irgendwo schon einmal gerochen hatte. Allerdings nicht in einer Wohnung, sondern in der Reparaturwerkstatt der Tankstelle, in der ich einige Jahre meinen Lebensunterhalt verdient hatte. Es war Lösungsmittelgeruch; Methylenchlorid.
    Hank lag noch immer am Boden. Er wimmerte und schien keine Anstalten unternehmen zu wollen, aufzustehen. Nicht eine einzige Lichtquelle erhellte sein Quartier. Dem Geruch nach zu urteilen hatte er lediglich Kerzen entzündet gehabt und diese gelöscht, bevor er die Tür geöffnet hatte.
    »Wo ist der Lichtschalter?« wollte ich wissen.
    »Bitte nicht …«, jammerte Hank.
    Ich tastete die Wand ab, fand einen Schalter und drückte ihn. Nichts geschah. »Hast du die Röhren herausgedreht?« Ich fingerte mein Feuerzeug aus der Jackentasche und knipste es an.
    Hank begann, sich auf dem Boden zu wälzen, als fürchte er die Flamme. Er kroch von mir fort und versteckte sich hinter einem Sessel, über dessen Lehne er beim Zurücktaumeln gestürzt sein mußte. Was ich dennoch von Hank sah, ließ mich vermuten, daß er völlig nackt war.
    Ich fragte: »Hattest du vor, zu duschen?«
    Die Antwort war ein ängstliches Schnaufen.
    Im Zimmer herrschte ein heilloses Durcheinander. Der Boden war knöcheltief übersät mit Kleidungsstücken, zerknüllten Papiertüchern, leeren Dosen, Kerzenstummeln, Werkzeugen und Gegenständen, die aussahen, als hätte Hank einen Traktor ausgeschlachtet: Kabelreste, Gummischläuche, Metallscheiben, Elektronikschrott. Es war kaum möglich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, ohne auf irgend etwas auszurutschen oder darüberzustolpern. Fassungslos ließ ich das Feuerzeug hin und her wandern und versuchte, das Chaos zu überblicken, soweit es der Schein der Feuerzeugflamme erlaubte. Einzig der Inhalt des Aschenbechers auf dem Wohnzimmertisch sah aufgeräumt aus: die Zigarettenkippen auf der

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