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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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also bereits hier im Bunker – die ersten Symptome auftreten müssen; Haarausfall, Durchfall und Fieber. Fünfundzwanzig bis dreißig Tage nach der Explosion hätten die Blutkrankheiten folgen müssen; Zahnfleischbluten, das Austreten von Blut auf der Haut und den Schleimhäuten. Hast du eines dieser Symptome gezeigt?«
    Prill schüttelte den Kopf, formte mit den Lippen ein ›Nein‹, aber kein Ton drang aus ihrem Mund.
    »Der Rückgang deiner weißen Blutkörperchen hätte deine Widerstandskraft gegen Infektionen vermindert. Krankheiten wären die Folge gewesen, eine wunde Mundhöhle und Kehle, dazu Anämie und anhaltendes Fieber. Das Ende: furchtbare Infektionen in der Brusthöhle und auf der Haut. Du hättest dich innerhalb weniger Wochen in einen Tummelplatz der aggressivsten Tumore verwandelt. Am Ende hätte definitiv dein Tod gestanden.«
    »Woher willst du das wissen?« fragte Prill stockend. »Vielleicht hat man mich und die anderen geheilt.«
    »Nein. Denn ihr wart niemals krank.« Ich wischte ihr die Tränen von den Wangen. »Du lebst, Prill. Nichts von all dem, was euch die Lords auf die Nase binden, ist geschehen, weder der Krieg noch seine Folgen. Das hier« – ich vollführte mit der Hand eine alles umfassende Geste – »ist ihre Realität, so künstlich wie deine Erinnerungen, dein Glaube; und letztlich sogar du selbst. Wir stehen mitten im Niemandsland. Die Station, in der du gelebt hast, liegt fast achtzig Kilometer hinter uns.«
    »Ich kann mich an nichts erinnern«, sagte Prill. »Plötzlich stand da dieses Ding auf der Treppe …«
    »Ein Oberflächenläufer«, erklärte ich.
    »War das ein Tier?«
    »Nein, eine Maschine, ein Roboter. Die Oberflächenläufer sind sozusagen die Big Daddy-Versionen der innerstationären Läufer. Sie sind eine Art Geländepolizei. Hier oben patrouillieren Hunderte dieser Biester, in jeder Zone mindestens ein Dutzend. Vorrangig werden sie von den Lords eingesetzt, um die Menschen zu den Bunkern zurückzutreiben, falls sich einer von ihnen hinaus wagt und dabei so weit von der Station entfernt, daß er die Orientierung verliert. Zugleich dienen sie der Abschreckung. Ein Bewohner, der so töricht ist, aller Doomsday-Religion zum Trotz einen Spaziergang in die Wüste zu wagen und sich plötzlich einem Oberflächenläufer gegenüber sieht, wird es sich in Zukunft zweimal überlegen, ob er je wieder einen Fuß vor die Station setzt, wenn er diese erst einmal mit heiler Haut wieder erreicht hat. Läßt sich jemand nicht in Richtung Station zurücktreiben, wird er von den Läufern kurzerhand paralysiert und zurückgeschleppt. Ihren Schockstrahl hast du ja vorhin am eigenen Leib zu spüren bekommen. Vor den Läufern davonzurennen hat keinen Sinn, denn sie können sich weitaus schneller bewegen, als ein Mensch zu rennen vermag. Ich habe Läufer abgeschossen, die sich mit dem Wagen auf gleicher Höhe befanden, und das bei einer Geschwindigkeit von siebzig Stundenkilometern. Glaub mir, solche Schauergeschichten von mutierten hüfthohen schwarzen Spinnen, die die verseuchte Wüste bevölkern, machen Eindruck auf all jene, die in den Stationen mit Hänschen-Klein-Gedanken spielen.«
    Prill ließ ihren Blick fröstelnd über die Wüste wandern. An der Temperatur konnte es kaum liegen, denn es herrschten konstante dreißig Grad. Sie tastete unbeholfen die Beifahrertür ab, zog mal da, kurbelte mal dort und versuchte vergeblich, sie zu öffnen. Schließlich stieg sie über die Tür aus dem Wagen und lief zaghaft einige Schritte in die Wüste. Ab und an bückte sie sich, berührte vorsichtig Gräser und Steine, nahm eine Hand voll Sand und ließ ihn durch ihre Finger rieseln. Ich ging ihr nach und beobachtete, wie sie staunend und verunsichert das Terrain erkundete.
    »Es wirkt alles so echt«, wunderte sie sich, als sie bemerkte, daß ich ihr folgte. »Wie auf der Erde.«
    »Hm. Ein warmer Spätsommerabend in Nevada. Und die Zeit steht still … Schau dir die Wolken an.«
    »Sie bewegen sich nicht«, stellte Prill nach einer Weile fest.
    »Nichts außer uns bewegt sich hier. Es geht kein Wind, es gibt keine Tiere. Wir sind die einzigen Lebewesen im Umkreis von fünfzig Kilometern.«
    »Glaubst du wirklich, wir sind auf einem anderen Planeten?« fragte Prill.
    Ich zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nicht, wo wir sind und ob wir die Erde wirklich verlassen haben; in einem Raumschiff oder sonst etwas«, sagte ich mehr zu mir selbst. »Vielleicht sind wir ja gar nicht so weit von

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