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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Suchend schwirrte die Schockzunge des Angreifers vor mir durch die Luft, zielte auf meine Beine und meinen Unterleib. Dann ertönte ein klirrendes Geräusch, und der Kopf der Maschine war verschwunden. Augenblicklich erstarrte der Läufer, elektrische Entladungen blitzten aus dem Loch, das die Kugel gerissen hatte. Der achtbeinige Torso rutschte vom Hinterleib seines riesigen Artgenossen, purzelte dann scheppernd die Stufen hinunter. Ich atmete durch und ließ die Waffe sinken. Erst jetzt vernahm ich den Tumult, der durch den Türspalt drang. Anscheinend bemühten sich die restlichen eingesperrten Läufer in sinnlosem Eifer, nach draußen zu gelangen, um Prill und mich zu stellen. Das Licht, das von außen in die Station drang, sagte ihnen, daß die Tür offen stand, aber sie waren nicht fähig zu erkennen, daß der Spalt zu schmal für sie war. Hirnlose Jagdmaschinen, halb intelligent und doch nur so töricht wie programmierte Soldaten; vorwärts, bis die Batterie erlischt.
    Ich lief die Treppe hinauf, spähte nach links und rechts, konnte aber keinen weiteren Läufer entdecken. Daraufhin hechtete ich nach vorne, rollte mich ab und blieb – die Waffe aufs Dach über dem Eingang gerichtet – liegen.
    Es war leer.
    Mißtrauisch steckte ich die Browning weg und rannte die Treppe wieder hinunter. Ich hob Prill vom Boden auf, warf sie über meine Schulter und trug sie zur Oberfläche, ehe einer der Sicherheitsbeamten den Läufern die Tür zu öffnen vermochte. Bis zur Straße waren es etwa einhundert Meter. Noch nie hatte ich Prill auf diese Weise aus der Station geschleppt. Als ich den Wagen erreichte, hatte ich Beine wie aus Pudding und keuchte wie ein Asthmatiker.
    Der Pontiac war unversehrt, das Kraftfeld hatte den Läufer bei seinen möglichen Demontage-Attacken auf Distanz gehalten. Ich ließ Prill auf den Beifahrersitz sinken, löste die Handbremse, schob den Wagen mit letzter Kraft vom Straßenrand auf den Asphalt und sprang hinter’s Steuer, als er von allein weiterrollte. Meine Muskeln schmerzten und zitterten von der Anstrengung, Schweiß lief mir übers Gesicht, meine Kleidung klebte am Körper. Prill, noch immer ohne Bewußtsein, lag dagegen sehr entspannt im Beifahrersitz. Hätte sie nur den Schockstrahl des Läufers abgekriegt, wäre sie wohl wieder beisammen gewesen, doch durch das Betäubungsgift des Wächters schlief sie wie ein Stein. Ich würde warten müssen, bis die Wirkung des Giftes nachließ und sie von allein wieder zu sich kam, ehe ich den Schlüssel an sie anschließen konnte. Gebe Gott, daß sie die Richtige war.
     
    Als der Pontiac mehr als dreißig Kilometer gerollt war, entspannte ich mich ein wenig. Die Tachonadel klebte auf der 40-Meilen-Anzeige, der Fahrtwind hatte mir den Schweiß von der Haut getrocknet und vertrieb allmählich meine Angst. Während der letzten halben Stunde hatte ich unablässig in den Rückspiegel geblickt, in der Befürchtung, eine Schar Läufer könnte dem Wagen folgen. Aber die Straße blieb leer, und auch in der Wüste regte sich nichts.
    Um mich abzulenken, hatte ich das Radio eingeschaltet. Gamma blieb stumm. Vielleicht feilte er an neuen zynischen Nachrichten aus der Scheinwelt. Wahrscheinlich aber wartete er nur gespannt, wie Prill auf den Schlüssel reagierte, und wollte sich vorher zu keinen übereilten Kommentaren hinreißen lassen. Er ließ sich auch nicht aus seinem Schweigen locken, als ich ihn rief. Aus den Boxen drang beharrlich Musik.
    Ich machte mir zum ersten Mal seit langem wieder Gedanken über das Sterben. Die jüngsten Geschehnisse gaben genug Anlaß dazu. Bisher waren Prills Entführungen ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen, meine Vorgehensweise innerhalb der Stationen fast schon zur Routine geworden. Für den Ausfall des regulären Wächters der Moths- Station schien jedoch Gamma verantwortlich zu sein. Er hatte Hank verleitet und dadurch eine Kettenreaktion ausgelöst, die mich beinahe das Leben gekostet hatte. Hanks Beeinflussung war beabsichtigt gewesen, aber wie es aussah, hatte Gamma die Konsequenzen unterschätzt, die der Wächterdemontage folgten; der schleichende Zusammenbruch der Elektronik im Eingangsbereich, welcher es möglich gemacht hatte, daß die Tür bereits bei geringem Druck aufsprang, die Postierung dieses Pflanzenwesens, Prills unerwartete Beteiligung an Hanks Aktionen, letztendlich der Läufer in ihrem Haar, der zweifelsohne der Kontrolle gedient und seine Informationen an den Lord weitergegeben hatte.

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