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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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ebensowenig verloren wie jeder andere im Leben ihrer Klone. Prills Gefühle wurden in einem unbegreiflichen Elektronengehirn der Lords gespeichert. In diesen Sekunden speicherte es Haß.
    »Denk von mir, was du willst«, sagte ich leise. »Es ist dein gutes Recht, wenn du deinen vermeintlichen Erlöser für ein Monster hältst. Aber ich darf und werde nicht zulassen, daß dich die Läufer aufgreifen und eine Verbindung zu deinem Implantat herstellen.«
    Die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Im Gegenteil, in Prills Gesicht vollzog sich ein wunderlicher Gefühlswandel. Zwar sah sie mich nicht an wie einen Paradieswächter, aber der Haß und die Verbitterung waren wie ausgelöscht. Statt dessen spiegelte sich Verblüffung in ihren Zügen, als sie wiederholte: »Meinem Implantat?!«
     
    »Ein taktisches Neural-Implantat«, erklärte Gamma, nachdem ich Prill doch noch hatte überreden können, aus freien Stücken zum Wagen zurückzukehren und die delikate Verbindung zwischen ihr und meinem Mentor wiederherzustellen. »Es befindet sich am Ende deines Subcortex-Nacken-Kanals, direkt unter einer zentralen Region deines Gehirns, dem Hypothalamus. Alle Klone tragen ein solches Implantat. Es besitzt in etwa die Größe einer Zehn-Cent-Münze. Von ihm führen über einhundert mikroskopisch feine Leitungen in alle Regionen deines Gehirns. Das Basisimplantat selbst dient dem Empfangen, Speichern und Senden und ist gleichzeitig mit dem Sublime verbunden, in dem alle Daten gesammelt, ausgewertet und gespeichert werden.«
    »Sublime?« fragte Prill verständnislos. »Was ist das?«
    »Ein, hm … Großrechner. Nein, das ist der falsche Begriff; ein metaphysisches Zentrum. Das, was das Leben, Denken und Fühlen der Geschöpfe aller Projektebenen lenkt und speichert, ist gewissermaßen ein lebendes Wesen; wenn auch nicht unbedingt in biologischer Hinsicht. Das Organische und Materielle ist dort, wo alle Stränge zusammenfließen, etwas – sagen wir: Prähistorisches. Stan hat dich nicht belogen, als er behauptete, von dir würde nichts verlorengehen. Alles, was du in den letzten Jahren erlebt, ja selbst geträumt hast, ist im Sublime gespeichert – und kann bei Bedarf jederzeit auf einen oder beliebig viele neue Klone übertragen werden. Hörst du hier und jetzt auf zu existieren, kann dieses Leben irgendwann lückenlos wieder für dich weitergehen. Wann, spielt keine Rolle, denn für das Sublime ist die Zeit bedeutungslos. Was dir lediglich auffallen wird, ist ein plötzlicher Umgebungswechsel. Und die unangenehme Erinnerung an dein Ableben läßt sich natürlich herausschnippeln. Du bist also nahezu unsterblich, Schätzchen. Wie findest du das?«
    Ich erkannte, wie es hinter Prills Stirn arbeitete. Ihre Skepsis war nicht gewichen, aber sie begann damit, aus dem ›Ausgeschlossen‹ ein ›Vielleicht‹ zu modellieren, und aus dem ›Vielleicht‹ ein ›Wahrscheinlich‹. Sie hatte begonnen, an das Dahinter und Danach zu glauben.
    Ich sagte: »Wenn das Sublime das schöpferische Zentrum des Projektes ist, dann befindet sich Prills Original bei ihm.«
    »In ihm«, korrigierte Gamma. »Alle Originale, ja. Auch du warst einst dort.«
    »Wo finde ich diesen Ort?«
    »Ich werde dich hinführen, Stan. Aber ich vermag es nur, wenn du mir vertraust – und Prill durch die Barriere führst.«
    »Das kann ich dir nicht versprechen. Prill liebt ihr Leben; und ich liebe dieses Mädchen!«
    »Hirnwichs«, kommentierte die Frau murmelnd.
    »Du kannst nicht achttausend identische Geschöpfe auf einmal lieben, Stan, nur weil eine von ihnen aussieht wie die andere«, widersprach auch Gamma. »Das grenzt an Hyperpolygamie. Bewahre dir deine Gefühle für ihr Original.«
    Ich schaute vermutlich ebenso entgeistert drein wie Prill, unfähig, das Gehörte sofort zu begreifen. »Sagtest du achttausend?« fragte ich schockiert.
    Ein Geräusch drang aus den Lautsprechern, das wie ein verhaltenes Lachen klang. »Mensch, überheblicher, da staunst du, nicht wahr?« Dann sachlicher: »Es sind über achttausend Stationen, Stan. Diese Projektebene erstreckt sich – in deinen Maßstäben gemessen – über eine Länge von nahezu 150 000 Kilometern. Insgesamt leben in den Bunkern entlang der Straße über fünf Millionen Klone. Meine Berechnungen ergaben, daß der in Frage kommende Prill-Klon innerhalb einer der zurückliegenden sechzehn und der noch folgenden vier Stationen einquartiert wurde. Findest du angesichts dieser Zahlen nicht auch, daß ich dich

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