Lord Gamma
Ausflug in die Wüste könnte den Schutzschirm zusammenbrechen lassen.«
»Herrgott«, schrie Prill, »ich habe schließlich seit vier Jahren nicht mehr hinter dem Steuer gesessen.«
Ich grinste, kniete mich auf den Sitz und wandte mich dem Verfolger auf meiner Seite zu, das Gewehr noch hinter der Tür verborgen. Der Läufer ließ sich ein paar Meter zurückfallen, als ahnte er, was ich vorhatte. »Jetzt!« schrie ich und hob die Waffe. In der selben Sekunde vernahm ich den leisen Signalton des Tastendrucks, zielte auf den Kopf des Läufers und drückte ab. Eine Mossberg besitzt einen ebenso harten Rückstoß wie ein Bärentöter, und ein 16-Millimeter-Stahlmantelprojektil macht verdammt unschöne Sachen mit seinem Ziel. Der Kopf des Läufers explodierte wie eine Honigmelone. Metall- und Kunststoffsplitter schossen durch die Luft, Kabelreste und Platinen zappelten an der Verbindungsstelle zum Körper in einem Funkenregen aus Kurzschlüssen. Die Maschine rannte noch ein paar Schritte, ehe ihre Beine kraftlos nachgaben. Kreischend rutschte sie über den Asphalt, begann sich zu überschlagen und kugelte zur rechten Seite weg in die Wüste. Ich stach mit der Waffe in die Luft und traf das reaktivierte Kraftfeld. Gutes Mädchen.
»Jetzt noch mal«, rief ich und kletterte auf die Rückbank. Der zweite Läufer wurde ebenfalls langsamer und begann, im Zickzack hinter dem Pontiac herzulaufen. Verdammte Biester, sie lernten viel zu schnell.
Der erste Schuß ging prompt daneben, riß ein faustgroßes Loch in den Asphalt. In derselben Sekunde beschleunigte die Maschine ihre Schritte. Allerdings sprang sie nicht in die Höhe wie ihr verunglückter Artgenosse, sondern rannte stur geradeaus – mit dem Kopf gegen den Schutzschirm. Prill hatte das Feld wieder aktiviert.
»Jetzt!« rief ich erneut und schoß – zu früh! Der leise Piepton der Sensortaste erklang erst nach dem Krachen der Mossberg. Das Projektil schlug gegen die Innenwand des Kraftfeldes, fiel verformt zu Boden und verschwand unter den Beinen des Läufers. Ich lud nach, doch bevor ich ein zweites Mal feuern konnte, sprang der Läufer auf das Heck des Pontiac. ›Piep‹ machte die Sensortaste – zu spät!
Prill spürte den Ruck, der durch den Wagen ging, bemerkte den ungebetenen Schatten hinter sich und stieß einen erschrockenen Schrei aus, während der Pontiac bedrohlich zu schlingern begann. Mensch und Maschine kauerten einander gegenüber, und beide handelten wir wie Automaten. Mein Schuß krachte im selben Sekundenbruchteil, in dem der Blitz am Kopf des Läufers aufzuckte. Eine Explosion folgte, und ein leuchtender Schockstrahl schoß knisternd an meinem Ohr vorbei. Der Rückstoß warf mich gegen Prills Sitz, der Pontiac tat einen wilden Schlenker, blieb aber auf der Straße. Ich blinzelte zum Wagenheck. Der Läufer war verschwunden, statt dessen klirrte und schepperte es hinter dem Pontiac, als wären Prill und ich auf Hochzeitsfahrt. Die Überreste der Maschine wurden im Schutzschild hinter uns hergeschleift. Ich schloß die Augen, befühlte mein heißes rechtes Ohr.
»Du kannst das Kraftfeld jetzt ausschalten«, beschied ich Prill, als ich mich wieder aufgerappelt hatte. Mit zitternden Fingern berührte sie die Taste, und das Läuferschrott-Geklimpere begann sich zu entfernen. Bald umgaben uns nur noch die Geräusche des rollenden Wagens und des Fahrtwindes.
In einer akrobatischen Aktion tauschte ich mit Prill die Plätze und setzte ich mich wieder hinter das Steuer. Sie hörte auch auf dem Beifahrersitz nicht auf zu zittern. Nicht einmal mein Lob konnte sie beruhigen, geschweige denn ihr ein Lächeln entlocken. Auch mir war nicht nach Lachen zumute, denn es war kaum mehr ein Kilometer bis zur Zonengrenze. Ich haderte mit mir, ob ich bremsen und Prill den Schmerz des Feuers durch einen Kopfschuß ersparen oder sie im Unklaren darüber lassen sollte, wo die Barriere war und was sie für sie bedeutete. Tote Organismen verglühten innerhalb eines Augenblicks, bei lebenden dauerte es fast eine halbe Minute.
Möglicherweise war es Prills Siebter Sinn, der ihr sagte, daß dort vorne etwas auf sie wartete. Sie zog ein Gesicht, als müsse sie sich jeden Augenblick übergeben. Was uns jedoch wirklich erwartete, überraschte sie wie mich gleichermaßen.
Fünfhundert Meter vor der Barriere sprang plötzlich ein vierter Läufer auf die Fahrbahn. Die verdammte Maschine mußte sich neben der Straße zwischen den Grasnarben eingegraben und auf uns gewartet haben.
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