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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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ausging, hatte eine neue Dimension angenommen. Aus den anfangs lästigen Treibern waren Killermaschinen geworden. Was Gamma auch vorhatte, die Lords schienen bis zum Äußersten bereit, um es zu verhindern.
    Allmählich ließ das taube Gefühl in meiner Schulter nach. Dumpfer, pochender Schmerz erfüllte meine rechte Körperhälfte. Der Arm ließ sich wieder bewegen. Wenn ich Glück hatte, war er nicht gebrochen, sondern nur geprellt. Ich wischte die Glassplitter von meinem Schoß, schaltete das Radio ein.
    »Gamma«, rief ich gegen den Fahrtwind an, der mir durch die geborstene Windschutzscheibe ins Gesicht blies, »es gibt ein Problem …«
    »Das habe ich fast befürchtet«, meldete sich mein Mentor. »Was ist passiert?«
    »Sie haben Prills Kopf!«
    Stille. »Ihren Kopf?«
    Ich schilderte, was sich ereignet hatte. Gamma schwieg einige Minuten, und ich glaubte bereits, er hätte die Verbindung abgebrochen. »Okay, diese Runde geht an die Lords«, meinte er schließlich. »Es war nur eine Frage der Zeit, bis so etwas passieren mußte. Die Karten werden neu gemischt. Ab heute bist du vogelfrei. Es ist unerläßlich, dich für den Ernstfall zu wappnen. Halt’ das Steuer gerade …«
    »Was hast du vor?«
    Gamma ersparte sich eine Antwort. Statt dessen entstand vor dem fahrenden Wagen ein vertikaler Spalt in der Luft. Es sah aus, als öffne jemand einen unsichtbaren Vorhang, um einen heimlichen Blick in diese Welt zu werfen. Der Spalt begann etwa fünf Meter über der Straße und verschwand im Asphalt, wobei es aussah, als könnte man ihn wie eine Spiegelung unterhalb der Straße weiterverfolgen. Jenseits von ihm bewegten sich Formen und Farben, wechselten Licht und Schatten.
    Ich riß mit einer Hand das Steuer herum, um dem Phänomen auszuweichen, und trat gleichzeitig auf die Bremse. Der Wagen brach aus und pflügte durch die Wüste, doch der Lichtspalt folgte dem Bogen, den der Pontiac beschrieb, und bewegte sich weiter auf das Fahrzeug zu. Ehe ich mich versah, traf der Wagen auf die Erscheinung – und raste einfach durch sie hindurch. Ihre Ränder zuckten rechts an mir vorbei, über die Motorhaube, den Beifahrersitz und das Heck hinweg. Ich spürte keinen Aufschlag, und als der Wagen endlich in einer Staubwolke zum Stehen kam, ohne in zwei Hälften geschnitten worden zu sein, war der Spuk schon vorüber. Auf dem Beifahrersitz lag ein zigarrenkistengroßer schwarzer Kasten.
    »Bist du wahnsinnig geworden?« rief ich aufgebracht. »Um ein Haar hätte ich den Wagen zu Schrott gefahren!«
    »Ich sagte dir, du sollst das Steuer gerade halten«, entgegnete Gamma ungerührt. »Siehst du die Schatulle?«
    Ich benötigte einige Sekunden, um meine Nerven zu beruhigen. »Ja«, knurrte ich dann, stieß die Tür auf und stieg aus. Meine Schulter schmerzte höllisch. Ein Schwindelanfall überkam mich, und ich sackte neben dem Pontiac zu Boden. Erst jetzt bemerkte ich den Riß in meiner Jacke und das Blut, das mein T-Shirt und meine Hose tränkte. Eines der Läuferbeine mußte mich gestreift haben. Die Wunde, die über meinen Rippen klaffte, war fast fünfzehn Zentimeter lang. Ich lehnte mich im Sitzen gegen die Fahrertür. »He, Kumpel«, krächzte ich, »es gibt da noch ein Problem …«
    »Du klingst, als wärst du verletzt.«
    Ich hustete heiser.
    »Stan …?«
    »Der Läufer hat mich übler erwischt, als ich dachte«, meldete ich mich. »Fürchte, mein Schlüsselbein ist gebrochen, und zwei meiner Rippen schauen mich an. Hab’ ein wenig Blut verloren.«
    Aus dem Radio drang undeutliches Wispern. Dann sagte Gamma: »Bleib, wo du bist, Stan. Ich versuche, in den Ebenen einen Morner zu finden.«
    Meine Frage, was er damit meinte, ging in einem weiteren Hustenanfall unter. Ich sah mich um, wartete. Die Felsklippen, die hier und da meterhoch aus dem Boden wuchsen, wirkten aus meiner Perspektive wie monströse Reißzähne. Das Adrenalin in meinem Körper hatte sich abgebaut, und immer heftiger spürte ich nun die klaffende Wunde in meiner Seite. Jede Bewegung war von Schmerzen begleitet. Ich tagträumte vom Fliegen. Vielleicht lag es an der Tatsache, sprichwörtlich am Boden zerstört zu sein, die mich wünschen ließ, abheben und über die Welt schweben zu können.
    Ganz in meiner Nähe erklang ein seltsames Geräusch. Es hörte sich an wie der Hieb einer Rute, nur unendlich langsamer, und verstummte abrupt. Ich hielt die Luft an, lauschte. Das Geräusch war von der gegenüberliegenden Seite des Wagens gekommen. Schritte

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