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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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sie mir dann alles. »Und in diesem Falle«, rief Miss Climpsons Gewissen, plötzlich mit strahlendem Lächeln über die Schläge des Widersachers triumphierend, »würde ich die Geschichte ganz legitim erfahren und könnte sie ehrlichen Gewissens an Lord Peter weiterberichten.«
    Am folgenden Tag – es war ein Freitag – erwachte sie jedoch mit unangenehm schmerzendem Gewissen. Der Zettel – er steckte immer noch in ihrem Gebetbuch – machte ihr Kummer. Sie ging in aller Frühe zu den Findlaters, erfuhr dort aber nur, daß Vera bei Miss Whittaker sei. »Dann darf ich wohl annehmen, daß sie die Sache bereinigt haben«, sagte sie bei sich. Mary Whittaker wollte sie jetzt nicht sehen, ob ihr Geheimnis nun Mord oder bloße Unmoral hieß; aber sie spürte den bohrenden Drang in sich, für Lord Peter die Frage nach dem Alibi zu klären.
    In der Wellington Avenue sagte man ihr, die beiden jungen Damen seien am Montag weggefahren und noch nicht zurückgekommen. Sie versuchte das Hausmädchen zu beruhigen, aber ihr eigenes Herz verriet sie. Ohne eigentlichen Grund hatte sie ein ungutes Gefühl. Sie ging in die Kirche, um ein Gebet zu sprechen, aber sie war nicht mit den Gedanken bei dem, was sie sagte. Einer Eingebung folgend, griff sie sich Mr. Tredgold, der sich gerade um die Sakristei herum zu schaffen machte, und fragte ihn, ob sie am nächsten Abend zu ihm kommen und ihn mit einer Gewissensfrage belästigen dürfe. So weit, so gut, und nun hatte sie das Gefühl, ein »ordentlicher Spaziergang« könne ihr helfen, die Spinnweben aus ihren Gedanken zu wehen.
    Also zog sie los, wodurch sie Lord Peter um eine Viertelstunde verpaßte, und nahm den Zug nach Guildford, ging dort spazieren, aß in einer Teestube am Weg eine Kleinigkeit zu Mittag, wanderte nach Guildford zurück und fuhr wieder nach Hause, wo sie erfuhr, daß »Mr. Parker und jede Menge Herren den ganzen Tag nach Ihnen gefragt haben, Miss, und was für eine furchtbare Geschichte, Miss, denn Miss Whittaker und Miss Findlater sind verschwunden, und die Polizei sucht sie schon, und sind diese Autos nicht schrecklich gefährliche Dinger, Miss? Da kann man doch nur hoffen, daß sie keinen Unfall gehabt haben.«
    Und in Miss Climpsons Kopf ertönten, einer Inspiration gleich, die Worte: »South Audley Street.«
    Miss Climpson hatte natürlich keine Ahnung, daß Lord Peter in Crow’s Beach war. Sie hoffte, ihn in der Stadt anzutreffen. Denn sie verspürte das für sie selbst kaum erklärliche Verlangen, hinzufahren und in der South Audley Street einmal nach dem Rechten zu sehen. Was sie eigentlich machen wollte, wenn sie erst dort war, wußte sie selbst nicht so genau, aber hinfahren mußte sie. Sie hatte eben immer noch Hemmungen, von dem Beichtzettel offen Gebrauch zu machen. Vera Findlaters Geschichte aus deren eigenem Mund zu hören – das war es, woran sie sich unbewußt klammerte. Sie nahm also den ersten Zug nach Waterloo. Für den Fall, daß Wimsey oder Parker sie aufsuchen sollten, hinterließ sie einen Brief, der so von dunklen Andeutungen und dicken Unterstreichungen strotzte, daß es für das seelische Gleichgewicht der beiden Männer vielleicht das beste war, wenn sie ihn nie zu Gesicht bekamen.
    Am Piccadilly traf sie nur Bunter an und erfuhr von ihm, Seine Lordschaft und Mr. Parker befänden sich in Crow’s Beach, wohin er, Bunter, ihnen in diesem Augenblick folgen solle. Miss Climpson trug ihm sogleich eine Nachricht für seinen Brötchengeber auf, die vielleicht noch ein wenig komplizierter und geheimnisvoller war als ihr Brief, dann machte sie sich auf den Weg zur South Audley Street. Und erst als sie dort war, wurde ihr bewußt, wie unklar ihr Anliegen eigentlich war und wie wenig Informationen man durch bloßes Auf- und abgehen in einer Straße sammeln kann. Außerdem, fiel ihr plötzlich ein, wenn Miss Whittaker hier in der South Audley Street wirklich etwas trieb, was sie verheimlichen wollte, würde sie sofort wachsam werden, wenn sie eine Bekannte hier herumpatrouillieren sähe. Der Gedanke bestürzte Miss Climpson so, daß sie abrupt in die nächste Apotheke trat und eine Zahnbürste kaufte, um ihr Tun zu tarnen und Zeit zu gewinnen. Mit Zahnbürsten kann man so manche Minute vertun, wenn man erst anfängt, Formen, Größen und Borstenhärten zu vergleichen, und manchmal ist so ein Apotheker ein netter und redseliger Mensch.
    Während sie sich noch im Laden umsah und auf eine Eingebung hoffte, erblickte Miss Climpson plötzlich ein

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