Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
nichts weitergeben, solange es nicht unbedingt notwendig ist.«
»Na klar. Also, dann will ich’s Ihnen sagen. Anfang September, da kommt Miss Whittaker eines Morgens zu Bertha und mir und sagt: ›Ich hätte gern, daß ihr beiden euch auf dem Flur vor Miss Dawsons Zimmer zur Verfügung haltet‹, sagt sie, ›denn ich brauche euch vielleicht, um ihre Unterschrift auf einem Dokument zu bezeugen; zwei Zeugen brauchen wir‹, sagt sie, ›und ihr müßt sehen, wie sie unterschreibt; aber ich will sie nicht mit einem Haufen Leute im Zimmer verrückt machen, und wenn ich euch also einen Wink gebe, kommt ihr ohne Lärm gerade so weit zur Tür herein, daß ihr sehen könnt, wie sie ihren Namen schreibt, und wenn ich dann das Dokument zu euch bringe, setzt ihr eure Namen an die Stelle, auf die ich zeige. Es ist ganz einfach‹, sagt sie, ›ihr habt nichts weiter zu tun, als eure Namen dahin zu setzen, wo das Wort Zeugen steht.‹
Bertha, die ja schon immer ein bißchen ängstlich war – vor Dokumenten und dergleichen hatte sie Angst –, hat versucht, sich zu drücken. ›Kann denn die Schwester nicht an meiner Stelle unterschreiben?‹ fragt sie. Gemeint war Schwester Philliter, die Rothaarige, wissen Sie, die mit dem Doktor verlobt war. Eine sehr nette Frau war das, die haben wir sehr gemocht. Aber Miss Whittaker: ›Die Schwester ist spazierengegangen‹, sagt sie ziemlich scharf, ›und ich möchte, daß du und Evelyn das macht‹, womit natürlich ich gemeint war. Na bitte, uns soll’s recht sein, haben wir gesagt, und wie Miss Whittaker also mit einem Stoß Papiere zu Miss Dawson raufgeht, sind wir nach und haben auf dem Flur gewartet, wie sie gesagt hat.«
»Einen Augenblick«, sagte Mr. Murbles. »Hatte Miss Dawson oft irgendwelche Dokumente zu unterzeichnen?«
»Doch, Sir, ich glaube, schon recht häufig, aber die wurden meist von Miss Whittaker oder der Schwester bezeugt. Es ging um Pachtangelegenheiten und so, wie ich gehört habe. Miss Dawson hatte etwas Hausbesitz. Und dann die Schecks für den Haushalt und so einiges an Papieren, die von der Bank kamen und immer im Safe eingeschlossen wurden.«
»Wahrscheinlich Aktiencoupons und dergleichen«, sagte Mr. Murbles.
»So wird’s wohl sein, Sir, ich verstehe von solchen Geschäften nicht viel. Einmal, das ist schon lange her, da habe ich mal eine Unterschrift beglaubigen müssen, aber das war was anderes. Da war die Unterschrift schon drauf, als das Papier zu mir runtergebracht wurde. Da war nichts von diesem ganzen Theater dabei.«
»Die alte Dame war also noch imstande, ihre Geschäfte selbst zu führen, wenn ich richtig verstanden habe?«
»Bis zu der Zeit ja, Sir. Danach hat sie alles an Miss Whittaker übertragen, soviel ich weiß – das war kurz bevor es anfing, ihr so schlecht zu gehen, daß sie immer unter Drogen stehen mußte. Von da an hat Miss Whittaker alle Schecks unterschrieben.«
»Die Vollmacht«, sagte Mr. Murbles kopfnickend. »Also, haben Sie nun dieses geheimnisvolle Dokument unterschrieben?«
»Nein, Sir. Ich erzähle Ihnen mal, wie das war. Nachdem Bertha und ich also eine Weile vor der Tür stehen, kommt Miss Whittaker heraus und gibt uns ein Zeichen, wir sollen leise reinkommen. Wir gehen also rein und stellen uns gleich hinter die Tür. Am Bett stand oben am Kopfende eine spanische Wand, so daß wir Miss Dawson nicht sehen konnten und sie uns auch nicht, aber wir konnten sie ganz deutlich in dem großen Spiegel sehen, der links vom Bett stand.«
Mr. Murbles tauschte einen bedeutungsvollen Blick mit Lord Peter.
»Jetzt geben Sie bitte acht, daß Sie uns jede Einzelheit berichten, und wenn sie noch so klein und unwichtig erscheint«, sagte Wimsey. »Ich glaube, das wird noch sehr spannend.«
»Ja, Mylord. Nun ja, sonst war nicht viel da, nur daß gleich hinter der Tür, links, wenn man reinkommt, ein kleiner Tisch stand, auf dem die Schwester Tabletts und so etwas abstellte, was hinuntergebracht werden sollte, na ja, und der war eben abgeräumt, und drauf lagen ein Stück Löschpapier, Tintenfaß und Feder, für uns zum Unterschreiben.«
»Konnte Miss Dawson das sehen?« fragte Mr. Murbles.
»Nein, Sir, die spanische Wand war ja dazwischen.«
»Aber das Tischchen stand im Zimmer?«
»Ja, Sir.«
»Das sollten wir ganz genau klären. Ob Sie uns wohl einen kleinen Grundriß von dem Zimmer zeichnen könnten – nur ganz ungefähr –, auf dem man sieht, wie alles stand, das Bett, die spanische Wand, der Spiegel und so
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