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Lord Stonevilles Geheimnis

Lord Stonevilles Geheimnis

Titel: Lord Stonevilles Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Jeffries
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noch nicht«, sagte er leise und stand ebenfalls auf.
      Sie sah ihn erschrocken an. Er musterte sie auf äußerst beunruhigende Weise, aber sie verharrte wie gebannt und konnte sich nicht abwenden. »Warum?«
      »Meine Geschwister haben Sie letzthin derart in Beschlag genommen, dass wir nicht viel Zeit hatten, uns zu unterhalten.« Sein Ton hatte eine gewisse Schärfe. »Setzen Sie sich! Bitte. Lassen Sie uns reden.«
      Reden? Das klang so gar nicht nach Oliver. »Na gut.« Verwundert über seinen Sinneswandel setzte sie sich wieder hin. »Worüber möchten Sie sich unterhalten?«
      Plötzlich schien er um Worte verlegen zu sein und machte dabei einen erstaunlich liebenswerten Eindruck. Wenn er mit Frauen zusammen war, verbrachte er zweifelsohne die meiste Zeit mit etwas anderem als Reden.
      Als Maria ein Buch auf seinem Schreibtisch entdeckte, lächelte sie verschmitzt. »Wie ich sehe, lesen Sie gerade Minervas neuesten Roman.«
      Zu ihrer Überraschung errötete er. »Ich dachte, ich muss mir einmal ein Bild davon machen, was sie so schreibt.«
      »Dann ist es also Ihr erster Ausflug in Minervas Welt der Schauergeschichten?«
      »Ja.« Ihm schien das Thema unangenehm zu sein, was Maria natürlich dazu anspornte, es weiter zu verfolgen.
      »Dann haben Sie eine ausgezeichnete Wahl getroffen. Der Fremde vom See ist mein Lieblingsroman.«
      Er sah sie finster an. »Warum? Weil Rockton bei diesem verdammten Fechtduell seine wohlverdiente Strafe bekommt?«
      Sie lächelte. »Weil Minerva ihn am Leben lässt. Normalerweise lässt sie den Bösewicht immer auf höchst grausige Weise sterben.«
      »Aha, und Sie mögen die grausigen Stellen nicht.«
      »Ganz im Gegenteil, ich liebe sie! Schrecklich, nicht wahr? Für mich kann es gar nicht grausig genug zugehen!« Als Oliver sie verdutzt ansah, fügte sie mit einem Grinsen hinzu: »Ich habe sogar ein Abonnement des Newgate Calendar , dieser Verbrecherchronik. Das heißt, Freddy bezieht das Abonnement. Mein Vater hat meine Begeisterung für Mord und Totschlag nicht gutgeheißen.«
      »Kann ich mir vorstellen.« Er lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Aber wenn Sie es gern grausig mögen, warum freuen Sie sich dann darüber, dass Minerva Rockton nicht hat sterben lassen?«
      »Sie macht immer wieder gewisse Andeutungen, damit man sich fragt, warum er so ein böser Mensch geworden ist. Und wenn er stirbt, werde ich es nie erfahren.«
      Oliver sah sie durchdringend an. »Vielleicht wurde er ja schon böse geboren.«
      »Niemand wird böse geboren.«
      »Ach?«, machte er und zog eine Augenbraue hoch. »Dann kommen wir also alle als gute Menschen auf die Welt?«
      »Nein, das auch nicht. Wir beginnen als Tiere, mit den Bedürfnissen und Trieben eines Tieres. Wir brauchen Eltern und Lehrer und andere Vorbilder, die uns lehren, wie man diese Bedürfnisse und Triebe zum Wohl der Allgemeinheit unterdrücken kann. Aber es ist unsere Entscheidung, ob wir dieser Erziehung folgen oder tun, was wir wollen.«
      »Für eine Frau, die eine Schwäche für Mord und Totschlag hat, sind Sie eine ganz schöne Philosophin.«
      »Ich möchte die Welt verstehen, warum die Leute so sind, wie sie sind.«
      Er dachte einen Moment darüber nach. »Ich bin der Ansicht, manche von uns werden wie Rockton schon mit einem Hang zum Bösen geboren.«
      Maria wählte ihre Worte mit Bedacht. »Dann hat Rockton allerdings eine gute Ausrede für sein Verhalten.«
      Olivers Miene war wie versteinert. »Was soll das heißen?«
      »Anständig und diszipliniert zu sein ist mühevoll. Böse zu sein bedeutet hingegen keinerlei Anstrengung. Man gibt einfach jedem Drang nach, wie unmoralisch er auch sein mag. Wenn Rockton behauptet, böse geboren zu sein, muss er sich überhaupt keine Mühe geben, gut zu sein. Er braucht nur immer wieder zu beteuern, dass er nicht anders könne.«
      »Vielleicht kann er ja wirklich nicht anders«, bemerkte Oliver.
      »Oder er ist einfach nicht gewillt, sich seinen Trieben zu widersetzen. Und ich will den Grund dafür erfahren. Deshalb lese ich Minervas Bücher.«
      Glaubte Oliver tatsächlich, er wäre böse auf die Welt gekommen? Wie tragisch! Es verlieh seinem Leben eine Hoffnungslosigkeit, die sein blindes Streben nach Vergnügungen jeder Art erklären würde.
      »Ich kann Ihnen den Grund nennen, warum Rockton so ein finsterer Kerl ist.« Oliver stand auf und kam um den Schreibtisch herum. Dann setzte er sich auf die Tischkante

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