Lord Tedric 01 - Lord Tedric
durchaus möglich, ein Geschäft unter menschenwürdigen Bedingungen zu betreiben, ohne daß es dabei gleich zu einem Verlustgeschäft wird.«
»Dieser Aspekt ist vollkommen belanglos«, erklärte Kapitän Maillard.
»Bei allem Respekt, Sir, doch ich glaube, hier irren Sie«, entgegnete Nolan unbeirrt. »Meiner Meinung nach dient diese ganze Mission, bei der dieser Alptraum von Schiff mit seiner vielhundertköpfigen Besatzung auf eine Reise von über vierhundertzwölf Lichtjahren Entfernung geschickt wird, nur der Vertretung der finanziellen Interessen einer einzigen Familie. Das ist es, was ich als belanglos bezeichnen würde. Das Reich und die Interessen der Carey-Familie sind zwei grundverschiedene Dinge. Ich weiß das, und ich habe Sie, Kapitän Maillard, in Verdacht, das ebenfalls zu wissen.«
»Ich ...«, stotterte Maillard, »ich denke, Sie haben nun genug gesagt, Leutnant Nolan.«
Wieder mischte sich Carey ein: »Es wird mir ein Vergnügen sein, Leutnant Nolan – oder jedem anderen, der ihn sehen möchte – den schriftlichen Befehl zu zeigen, den Imperator Kane IV. persönlich unterzeichnet hat.«
Verächtlich zog Nolan die Brauen hoch.
»Ich habe niemals angezweifelt, daß Sie sich Ihre Autorität erschlichen haben, Carey. Ich habe nur meine persönliche Meinung dargelegt, das war alles.«
»Die Meinung des Leutnants grenzt an Hochverrat«, schrie Kapitän Maillard dazwischen.
Doch bevor Nolan antworten konnte, mischte sich Carey vorsichtig ein: »Leutnant Nolans Ansichten zeugen nur davon, daß er nicht vollständig informiert ist. Sehen Sie, Leutnant Nolan, da ist noch etwas, das Sie nicht wissen, weil Sie es vorgezogen haben, Kapitän Maillard in seinen Ausführungen zu unterbrechen.«
»Was sollte das schon sein?« fragte Nolan. »Oder wollen Sie damit andeuten, daß auch Sie, wie wir alle, die langsameren Fähren benutzen müssen, nur weil Sie Ihre Investitionen auf Evron 11 verloren haben?«
»Nein, nicht ganz«, antwortete Carey mit so offensichtlichem Vergnügen, daß Tedric ahnte, daß seine Eröffnung, die jetzt folgen sollte, wie eine Bombe einschlagen würde. »Unglücklicherweise, Leutnant Nolan, sind wir nicht die einzigen, die an der Lage auf Evron 11 Interesse nehmen. Uns hat kürzlich die Nachricht erreicht, daß ein großer Schlachtkreuzer auf eine Umlaufbahn um den Planeten eingeschwenkt ist. Ich brauche Ihnen wohl kaum zu erklären, woher ein Kreuzer dieser Größenordnung kommt. Ein Schlachtschiff der Wykzl operiert innerhalb der Grenzen des Reichs der Menschheit.«
Wie allen anderen hatte diese Nachricht auch Nolan die Sprache verschlagen. Kein Wykzl-Schiff hatte seit der Beendigung des langen Krieges vor etwa hundert Jahren die Grenzen des Empire überschritten. Wenn Careys Worte der Wahrheit entsprachen, war das nicht nur ein Bruch des Friedensvertrages, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit ein Vorgeplänkel zu einem neuerlichen bewaffneten Konflikt.
»Aber was wollen die Wykzl mit Evron 11?«, fragte Nolan, wobei in seinen Worten noch der Schock über diese ungeheuerliche Mitteilung mitschwang.
»Das herauszufinden«, antwortete Carey genüßlich, »hat uns der Imperator gebeten.«
IV
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DER BIENENSTOCK VON EVRON 11
An einem Winterabend steht ein alter Mann in grüner Robe in der Schänke ›Zu den vier Kreuzen‹ in Süd-Lomarr und breitet vor den anwesenden Gästen die Arme aus.
»Wie Sie sehen können«, sagt er, »habe ich nichts in meinen Ärmeln verborgen, nichts vor Ihnen versteckt. Ich bin ein Magier, kein Schwindler, doch Sie müssen genau hinschauen. Beobachten Sie mich bitte genau.« Der alte Mann klatscht zweimal in die Hände, eine blaue Rauchwolke wallt auf, aus dem Rauch taucht ein kleines Tier auf, ein gelber Vogel.
Die Gaste, mehr interessiert an ihren Getränken als an der Show, applaudieren schwach. Der Magier verbeugt sich.
In einer Ecke des Schankraumes sitzt ein Mann allein am Tisch und trinkt Bier. Er applaudiert nicht. Sein Wuchs ist groß, er ist muskulös, hat blonde Haare. Sogar hier in der Schänke hat er sein Langschwert nicht abgelegt. Man sagt, es sei Tedric, der Hüttenmeister.
Leise murmelt Tedric vor sich hin: »Benutze nur ruhig deine Tricks, alter Mann, denn in kurzer Zeit wirst du es nicht mehr können. In einer Welt, in der keine Magie mehr existiert, lassen sich die Leute nicht länger mit üblen Tricks an der Nase herumführen.«
Er hebt den Arm und wischt mit einer Bewegung Gläser und Flaschen vom Tisch.
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