Lord Tedric 02 - Raumpiraten
einer verborgenen Lichtquelle spärlich erhellt wurde, die Zeit abzuschätzen, bot das Abmessen von Kellers stetig wachsendem Bart. An diesem seltsamen Maßstab gemessen, befanden sie sich jetzt seit zwei oder drei Tagen in dieser Zelle. Sie vertrieben sich die Zeit mit Schlafen, aßen sporadisch, sprachen gelegentlich miteinander. Es war eine Binsenweisheit, daß sogar die beste Gesellschaft langweilig wurde, wenn man über eine ziemlich lange Zeit hinweg mit ihr zusammenblieb. Und drei Tage in einer engen Zelle waren eine verdammt lange Zeit. Hinzu kam das fortwährende Warten, die ständige Ungewißheit, ob ihr Leben nicht im nächsten Augenblick ausgelöscht wurde.
Der vierte Tag kam und verging. Ebenso der fünfte, vielleicht auch ein sechster.
Dann, urplötzlich, versanken alle vier Gefangenen gleichzeitig in einen tiefen Schlaf. Es geschah so unerwartet, als hätte man sie mit einer Droge betäubt. Als sie erwachten, waren sie nicht mehr allein. Eine fünfte Person teilte mit ihnen die Zelle. Es schien ein vollwertiger Mann der menschlichen Rasse zu sein. Sein Körper war in zerrissene Lumpen gehüllt, Gesicht, Arme und Brust waren bedeckt von Hautausschlägen und Entzündungen. Ein verfilzter Bart verhüllte sein Kinn, er trug keine Schuhe. Sein Alter war undefinierbar. Wenn er grinste, zeigte sein Gebiß nur wenige gelbliche Zahnstummeln neben großen Zahnlücken.
Der Mann kauerte in der Ecke der Zelle, wo die Plastikbox mit der konzentrierten Nahrung stand. Er nickte ihnen freundlich zu und stopfte sich genüßlich eine Handvoll Pillen in den Mund.
Sofort sprang Nolan auf und schrie: »He, du da! Verschwinde sofort aus der Ecke!«
Der Bettler grinste nur und ließ eine weitere Handvoll Pillen im Mund verschwinden.
»Ihr solltet mich ruhig bei der Essensverteilung berücksichtigen«, murmelte er kauend.
»Das kommt überhaupt nicht in Frage.« Nolan stürmte quer durch den Raum auf den Bettler zu und wollte ihn aus der Ecke zerren. Doch der Bettler machte nur eine Handbewegung, als wolle er eine Laus zerdrücken, Nolan erhielt einen schweren Schlag gegen die rechte Schulter, verlor den Halt, segelte quer durch den Raum gegen die gegenüberliegende Wand und stürzte dort zu Boden. Ein schmerzhaftes Stöhnen entrang sich seiner Kehle.
Vorsichtig näherte sich Tedric dem Bettler und hielt ihm seine ausgestreckte Hand entgegen.
»Es wäre wirklich besser, wenn du die Tabletten wieder zurücklegst. Unser Nahrungsvorrat ist nur begrenzt, und wir möchten nicht verhungern.«
Der Bettler schaute zu Tedric hoch und unterbrach für einen Moment seine Mahlzeit. »Ist Verhungern soviel schlimmer als hingerichtet zu werden? Ein toter Mann ist ein toter Mann.«
»Wir ziehen es aber vor, damit etwas zu warten.«
Immer noch hielt Tedric seine Hand ausgestreckt.
Der Bettler starrte auf Tedrics große Hand und zuckte schließlich die Schultern.
»In Ordnung, Freund. Ich bin schließlich kein Unmensch, der sich ständig der Meinung anderer Leute entgegenstellt.« Mit diesen Worten reichte er Tedric die Plastikbox, die dieser dankend in Empfang nahm. Immer noch grinsend richtete der Bettler sich auf und streckte Tedric seine Hand hin.
»Übrigens, ich heiße Stubbs. Ich freue mich sehr, deine persönliche Bekanntschaft zu machen.«
Tedric sah keine Möglichkeit, die ausgestreckte Hand des Bettlers zu übersehen, ohne ihn zu beleidigen. Also ergriff er sie und schüttelte sie. Sofort fühlte er sich beschmutzt.
»Mein Name ist Tedric, und dies sind meine Gefährten Nolan, Keller und Ky-shan.« Rasch zog er seine Hand zurück. Der Gestank des Bettlers in der engen Zelle wurde fast unerträglich.
Nolan lag noch immer auf dem Boden und rieb sich die Schulter.
»Ich würde mich wundern, wenn unser neuer Freund Stubbs tatsächlich ein Mensch wäre.«
»Still«, flüsterte Stubbs mit beschwörender Geste. »Das soll doch unser kleines Geheimnis bleiben.«
Tedric kümmerte sich nicht weiter um die Scherze des Bettlers, sondern nahm seine Grübelei wieder auf. Langeweile und Isolation hatten seine Energie soweit verbraucht, daß er dem neuen Gast kaum Interesse entgegenbrachte. Ein weiterer Krimineller, dachte er, wie sie zum Tode verurteilt. Der Tod war der große Gleichmacher. Vor ihm wurden die Charaktere aller gleichermaßen unwichtig.
Doch plötzlich verspürte er wieder dieses seltsame Gefühl, und er fror innerlich. Er wandte sich zu dem Mann um, der sich
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