Lord Tedric 02 - Raumpiraten
ist es dazu gekommen? War es meine eigene Wahl? Oder war es vielleicht ein fehlerhaftes Programm? Ein Kurzschluß in meinen Systemen? Oder hatten die Wissenden ihre Finger im Spiel? Ich finde keine Antwort darauf, doch ich mag diese Fragen auch nicht. Die Illusion einer freien Willensentscheidung ist für mich verdammt wichtig. Du glaubst nicht, wie schwer es ist, als ein Geschöpf der Menschen, eine Maschine, die dem Menschen ähnlich sein soll, eine eigene Identität zu erlangen. Ich habe sie, doch die Wissenden können sie mir jederzeit nehmen, und genau das mag ich nicht.«
»Dann wirst du uns also nicht helfen?«, fragte Tedric und versuchte auf diese Weise, eine klare Antwort von dem verwirrten Roboter zu erhalten.
»Gestern noch hätte ich euch meine Unterstützung verweigert«, entgegnete Wilson. »Ich hatte Zeit genug, darüber nachzudenken, und hatte meine Entscheidung getroffen. Mir war klar, daß unsere gemeinsamen Wege sich bald trennen würden, da es dich drängt, das Universum zu retten. Doch ich war der Meinung, euch genug geholfen zu haben. Ich hätte euch nicht daran gehindert, mich zu verlassen, doch ich hätte die Vishnu behalten und eine neue Mannschaft angeheuert.«
»Du sagtest, so hättest du noch gestern gedacht«, erinnerte ihn Nolan.
»Auf dem Rückflug hierher erhielt ich einen Funkspruch.«
Aus seiner Jackentasche zog Wilson ein gefaltetes Blatt Papier heraus und reichte es Nolan. »Da, ließ selbst!«
Nolan las den Funkspruch und gab den Zettel dann an Tedric weiter.
»Das ist unglaublich«, flüsterte er.
Imperator Kane IV tot im Palast von New Melbourne, Erde, aufgefunden, lautete die erste Zeile der Botschaft.
»Du zweifelst daran?«, fragte Wilson.
Nolan schüttelte den Kopf. »So alt war er doch noch nicht.«
»Was ist mit Kronprinz Randow?«, frage Tedric, der inzwischen auch die zweite Zeile der Botschaft gelesen hatte.
»Kein Wort von ihm.«
»Hält man ihn gefangen?«
»Es scheint so.«
Inthronisierung von Imperator Matthew I (Carey) in sechs Normaltagen nach feierlicher Bestattung, lautete die zweite Zeile.
»Und genau das ist der Grund, weshalb ich euch helfe«, fuhr Wilson fort und streckte ihnen plötzlich seine Hand entgegen, wartete darauf, daß sie sie ergriffen und schüttelten.
»Ich bin auf eurer Seite, helfe euch und den Wissenden bei der großen Rebellion gegen die Krone. Ich habe zwar einen Magen aus Metall, doch selbst der kann diese Nachricht nicht verdauen.«
Tedric schüttelte Wilsons Hand, und Nolan folgte seinem Beispiel. Wilson fuhr fort: »Außerdem ist da noch eine wichtige Sache von höchster strategischer Bedeutung. Die Bewohner der Randwelten hätten sich nie gegen den freundlichen alten Imperator erhoben, doch einem Carey, der eine Krone auf dem Haupt trägt, fühlen sie sich wohl kaum gleichermaßen verbunden. Es gibt da ein altes Sprichwort: eine Revolution besteht nur aus einer Handvoll wütender Männer, die vorwärts stürmen und eine verrottete Tür eintreten. Und wenn das Imperium jetzt nicht mit einer verrotteten Tür zu vergleichen ist, dann kenne ich mich im Leben nicht mehr aus.«
Wilson verschränkte die Arme vor der Brust. »Wann starten wir?«
Tedrics Verwirrung war deutlich in seinem Gesicht abzulesen.
»Ich hätte nie gedacht ...«
Wilson lachte nur. »Ich weiß, du hast nie geglaubt, ich würde mitmachen. Wie ich schon sagte, war ich tatsächlich bis gestern noch anderer Ansicht. Doch ich möchte euch jetzt einen Vorschlag machen.«
Tedric nickte nur stumm. Seine Verwirrung war zu groß, als daß er jetzt einen klaren Gedanken fassen konnte.
»Ich schlage vor, wir starten morgen. In der Zwischenzeit dürfte sich diese Nachricht hier im ganzen Imperium verbreitet haben. Die Bevölkerung wird verdammt wütend und aufgebracht sein. Wir sollten handeln, bevor sie sich wieder beruhigt hat. Außerdem gibt es da noch etwas, was wir nicht übersehen sollten.«
»Und was?«, fragte Tedric.
Wilson grinste. »Vergeßt nicht, daß wir die Schwester des Imperators, Lady Alyc, in unserer Gewalt haben.«
V
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D IE SCHWARZE B ESTIE
An Bord seiner Privatfähre, der Blue Eagle, auf dem halben Wege zwischen Milrod und der Erde, bearbeitete Melor Carey ruhelos seine Fingernägel und knirschte mit den Zähnen, weil ihm die Reise zu lange dauerte.
Im Gegensatz zu einem Linienschiff oder einem Kreuzer war eine Fähre wie diese im Grunde nur ein Miniatur-N-Raumantrieb mit einem kleinen Cockpit an seiner Spitze. Doch
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