Lord Tedric 02 - Raumpiraten
Existenz erfahren. Gelegentlich hatten Alyc und Matthew nach ihrer Mutter gefragt, doch Melor hatte sie rundweg belogen.
Auf Rhisa war er nach langer, wissenschaftlich durchgeführter Suche gestoßen. Als er hundert Jahre alt geworden war, schien ihm die Zeit reif, sich eine Frau zu suchen. Er besaß genaue Vorstellungen, wie diese Frau körperlich und geistig auszusehen hatte.
Diesen Vorstellungen entsprechend ließ Melor einen Roboter bauen, zeigte ihn etwa hundert Agenten und schickte diese dann zu den Sternenwelten aus, um für ihn nach einer solchen Frau zu suchen. So traf er schließlich auf Rhisa. All die anderen Frauen, die man ihm vorgestellt hatte, hatte er weggeschickt, doch Rhisa blieb. Sie war eine Schönheit, besaß eine Haut so glatt wie Elfenbein, dichtes schwarzes Haar und leuchtend rote Lippen.
Als Melor Rhisa erblickte, rief er zwei Diener herein, befahl ihnen, das Robotvorbild zu zerstören, und nahm Rhisa in sein Haus auf. Sie gebar ihm zuerst einen Sohn, dann eine Tochter.
Kurz nach Alycs Geburt starb sie. Es war ein Unfall gewesen, ein ganz unwahrscheinlicher Unfall. Melor wollte es zuerst nicht begreifen. Nur wenige Tage nach ihrem Tod ließ er die Wahrscheinlichkeit eines solchen Unfalls errechnen. Als er die exakten Zahlen erhielt, bekam er einen Lachkrampf. Die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Tod zu sterben, war gleich Null, unmöglich, absurd. Doch Rhisa war tot. Sie hatte sich im Garten hinter dem Haus über ein Blumenbeet gebeugt, als ein Objekt – vermutlich ein Stück eines ausgebrannten Meteors – vom Himmel fiel, in ihre Schulter einschlug, ihre inneren Organe zerstörte und durch die Bauchdecke wieder austrat. Rhisa taumelte vorwärts, war aber schon tot, als ihr Körper auf das Blumenbeet aufschlug, das sie bewundert hatte.
Melor hatte sie genau an der Stelle bestattet, an der sie gestorben war. Niemals beklagte er sein Unglück, doch insgeheim vermißte er sie. Rhisa war einer der wenigen Menschen gewesen, denen er sich anvertraut hatte, denen er von seinen Hoffnungen und Plänen erzählt hatte.
Rhisa war tot, ebenso wie Alyc. Er selbst würde auch bald sterben. Und Matthew war ein Verräter. Plötzlich weinte er ...
Am neunten Tage seiner Krankheit besuchte ihn Matthew wie üblich. Doch diesmal kam er allein. Er zog sich einen Sessel ans Bett und machte es sich bequem.
»Fühlst du dich besser, Vater?«
»Nein.«
»Soll ich dir einen Robot-Arzt rufen, damit er dich untersucht?«
»Nein.«
»Bist du hungrig?«
»Nein.«
»Hast du Durst?«
»Nein.«
»Dann ...« Matthew erhob sich und brachte seine Kleidung in Ordnung, »werde ich später am Tag noch einmal vorbeischauen.«
Melor sagte nichts.
Matthew erhob sich, ging zur Tür und verließ das Zimmer.
Von nun an würde jeder Tag bis zu seinem Lebensende gleich verlaufen. Melor war mit sich selbst ins Reine gekommen.
Einhundertzweiunddreißig Jahre lang war sein Leben ein einziger Siegeszug gewesen. Er war von Erfolg zu Erfolg geeilt, hatte jedesmal sein Ziel erreicht. Er hatte immer ›ja‹ geschrien, ›ja ja‹, – und immer war alles nach seinem Willen gelaufen ...
Jetzt fühlte er sich zum ersten Mal in seinem Leben frei genug, ›nein‹ zu sagen. Und er sagte nichts mehr anderes bis zu dem Tag, an dem er dankbar starb, dankbar dafür, daß der Tod ihn endlich erlöste.
X
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G EGEN DIE F LOTTE
Tedric saß im Kommandosessel im Kontrollraum des ersten Wykzlkreuzers, der die Flotte der Rebellen anführte, und beobachtete aufmerksam die flackernden, summenden, ausschlagenden Kontrollanzeigen des Schiffscomputers, der den Kreuzer ohne menschliche Hilfe steuerte.
Weit hinter ihm, außerhalb der Reichweite der Bildschirmsensoren, folgten ihm genau einhundert Schiffe des gleichen Modells. Jeder Kreuzer hatte einen einzigen Piloten an Bord. Phillip Nolan besaß sein eigenes Schiff, ebenso Keller und Wilson, der abtrünnige Roboter, der mit der Vishnu flog. Soweit verlief alles nach Plan. Die Angreiferflotte pflügte durch die öden Weiten des N-Raumes. Ihr Ziel war die Erde. Außer den Piraten von Quicksilver rekrutierten sich die Piloten der anderen Schiffe aus einfachen Matrosen, die die Piraten aus hunderten von Randweltbewohnern – begierig, für sie zu kämpfen – ausgewählt hatten.
Tedric erinnerte sich voller Belustigung an diese Szenen. Ein zweiter Besuch auf den Randwelten war vollkommen anders verlaufen. Die einfache Tatsache von hundert kampfbereiten Kreuzern hatte viele ihre
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