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Lords und Ladies

Lords und Ladies

Titel: Lords und Ladies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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bringen was zustande, Mama.«
    »Ach?«
    »Ja, und eigentlich richten sie gar keinen Schaden an.«
    Nanny Ogg blickte nachdenklich ins Feuer.
    Nannys Schweigen konnte unauslotbar tief sein. Und manchmal blieb es nicht einfach unbestimmt, sondern gewann eine klar definierte Richtungskomponente. Zum Beispiel jetzt: In Jason verdichtete sich der Eindruck, daß das Schweigen auf ihn zielte.
    Er fiel immer darauf herein und versuchte, die Leere der Stille zu füllen.
    »Außerdem hat Diamanda eine wirklich gute Bildung«, sagte er. »Sie kennt einige richtig gut klingende Worte.«
    Das Schweigen dauerte an.
    »Und du hast dich immer darüber beklagt, daß die jungen Mädchen von heute kein Interesse an der Hexerei zeigen«, fuhr Jason fort. Er griff wieder nach der Eisenstange und schlug einige Male halbherzig auf sie ein.
    Weiteres Schweigen strömte in seine Richtung.
    »Bei jedem Vollmond ziehen sie los und tanzen in den Bergen.«
    Nanny Ogg nahm die Pfeife aus dem Mund und blickte in ihren Kopf.
    Jason senkte die Stimme. »Es heißt, sie tanzen ganz, äh, ohne.«
    »Ohne was?« fragte Nanny unschuldig.
    »Du weißt schon, Mama. Ohne Kleidung.«
    »Donnerwetter. Na so was. Hat jemand beobachtet, welchen Ort sie aufsuchen?«
    »Nein. Weber, der Dachdecker, meint, sie entwischen ihm immer.«
    »Jason?«
    »Ja, Mama?«
    »Sie tanzen bei den Steinen.«
    Jason schlug sich auf den Daumen.
     
    In den Bergen und Wäldern von Lancre gab es viele Götter. Einer von ihnen hieß Hern der Gejagte. Er war der Gott des Jagens und Verfolgens. Mehr oder weniger.
    Die meisten Götter werden von Glauben und Hoffnung erschaffen und am Leben erhalten. Jäger tanzen in Fellen und Tierhäuten, schaffen dadurch Jagdgötter, die zu Ausgelassenheit neigen und den Takt einer Flutwelle besitzen. Aber dabei handelt es sich nicht um die einzigen Götter der Jagd. Auch das Opfer hat eine okkulte Stimme, während der Puls rast und die Hunde bellen. Hern war der Gott der Gejagten und Verfolgten und all jener kleinen Geschöpfe, deren Schicksal darin besteht, ihr Leben mit einem erschrockenen Quieken zu beenden.
    Er mochte etwa einen Meter groß sein, hatte Hasenohren und kleine Hörner. Er konnte ziemlich flink sein und nutzte jetzt sein ganzes Sprinterpotential, als er durch den Wald raste und rief:
    »Sie kommen! Sie kommen! Sie kommen alle zurück! «
     
    »Wer?« fragte Jason Ogg. Er hielt den Daumen in einen Wassertrog.
    Nanny Ogg seufzte.
    »Sie« , lautete ihre Antwort. »Du weißt schon – sie . Wir sind nicht ganz sicher, aber…«
    »Wer sind sie ?«
    Nanny zögerte. Gewisse Dinge teilte man gewöhnlichen Leuten nicht mit. Andererseits: Jason war Schmied, was ihn aus der Masse der Gewöhnlichen heraushob. Schmiede mußten Geheimnisse wahren. Und er gehörte zur Familie. Nanny Ogg hatte eine abenteuerliche Jugend verlebt und konnte nicht besonders gut zählen; trotzdem zweifelte sie kaum daran, daß Jason ihr Sohn war.
    »Nun…« Sie gestikulierte vage. »Jene Steine… die Tänzer… äh, damals… ich meine, früher…«
    Nanny unterbrach sich und versuchte erneut, die im wesentlichen fraktale Natur der Realität zu erklären.
    »Weißt du… Es gibt einige Orte, die dünner sind als andere, und dort sind die alten Türen nicht unbedingt Türen, nein, ich meine, ich hab’s selbst nie ganz verstanden, es sind keine Türen, sondern eher Stellen dünnerer Welt, und… Nun, wichtig ist vor allem, daß die Tänzer eine Art Zaun bilden. Wir, und wenn ich hier ›wir‹ sage, so meine ich vor vielen tausend Jahren… Ich meine, es sind nicht einfach nur Steine, eher Donnerkeile, und… Es gibt da Gezeiten, allerdings ohne Wasser, und wenn sich die Welten nahe genug kommen, kann man fast zwischen sie treten… Nun, wenn sich Leute dem Steinkreis nähern und dort herumalbern, so könnten sie zurückkehren, falls wir nicht aufpassen.«
    »Wer sie ?«
    »Genau darum geht’s.« Nanny zog eine kummervolle Miene. »Wenn ich’s dir sage, verstehst du bestimmt alles falsch. Sie leben jenseits der Tänzer.«
    Jason starrte seine Mutter groß an. Nach einigen Sekunden erhellte sich die Miene des Schmieds mit dem Licht des Verstehens.
    »Ah«, brummte er. »Ich weiß. Wie ich hörte, reißen die Zauberer in Ankh immer wieder Löcher in den Teppich der Realität oder so, und dann kommen schreckliche Dinge aus den Kerkerdimensionen. Große Biester mit vielen Augen und mehr Beinen als eine Moriskentanzgruppe.« Er griff nach dem Hammer Nummer 5. »Keine

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