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Lords und Ladies

Lords und Ladies

Titel: Lords und Ladies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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eine silbrige Haarschlange, die bis zur
    Hüfte hinabreichte. Oma schüttelte einige Male den Kopf.
    Nanny war vor Faszination wie gelähmt, als ihre alte Freundin einmal
    mehr die Hand hob und sich ein einzelnes Haar ausriß.
    Oma Wetterwachs vollführte eine kompliziert anmutende Geste und
    formte eine Schlinge aus einem nahezu unsichtbaren Etwas. Sie ignorier-
    te das hierhin und dorthin stoßende Horn, stülpte die Schlaufe über den
    Schädel des Wesens und zog.
    Schlamm spritzte unter den unbeschlagenen Hufen des Einhorns, als
    es auf die Beine kam.
    »Es wird sich losreißen«, prophezeite Nanny und trat so unauffällig wie
    möglich zum nächsten Baum.
    »Ich könnte das Tier mit einer Spinnwebe halten, Gytha Ogg. Mit einer
    Spinnwebe. Geh jetzt. Du weißt, was du zu tun hast.«
    »Ja, Esme.«
    Das Einhorn warf den Kopf zurück und wieherte heulend.

    Die halbe Stadt wartete, als Oma das Geschöpf nach Lancre führte –
    wenn man Nanny Ogg etwas erzählte, so war es nur eine Frage der Zeit,
    bis auch alle anderen es wußten.
    Die Hufe des Tiers kratzten übers Kopfsteinpflaster, als es sich am
    Ende der unglaublich dünnen Leine hin und her wand, ohne sich befrei-
    en zu können.

    Ab und zu trat es nach hoffnungslos Unvorsichtigen, die ihm zu nahe
    kamen.
    Jason Ogg trug noch immer seine gute Kleidung und stand nervös in
    der offenen Tür seiner Schmiede. Heiße Luft flirrte überm Schornstein.
    »Herr Schmied…«, sagte Oma Wetterwachs. »Ich habe Arbeit für
    dich.«
    »Äh«, erwiderte Jason. »Das ist ein Einhorn. Äh.«
    »Stimmt.«
    Das Einhorn heulte, sah Jason an und rollte mit roten Augen, in denen
    Irrsinn loderte.
    »Niemand hat jemals ein Einhorn beschlagen«, meinte Jason.
    »Du sol test darin deine große Chance sehen«, sagte Oma.
    Die Menge drängte näher, um al es zu sehen und zu hören. Gleichzei-
    tig versuchten die Leute, einen sicheren Abstand zu den Hufen zu wah-
    ren.
    Jason hob den Hammer und rieb sich damit das Kinn.
    »Ich weiß nicht…«
    »Hör mir gut zu, Jason Ogg.« Oma zog an dem Haar, als das Einhorn
    im Kreis schlitterte. »Du kannst alles beschlagen, ganz gleich, was man dir auch bringt. Aber diese Fähigkeit hat einen Preis, nicht wahr?«
    Jason warf seiner Mutter einen panikerfül ten Blick zu. Nanny Ogg war
    anständig genug, zumindest verlegen zu wirken.
    »Sie hat mir nichts davon erzählt«, sagte Oma, womit sie bewies: Sie
    konnte Nannys Gesichtsausdruck durch den eigenen Hinterkopf erken-
    nen.
    Sie beugte sich zu Jason vor, während hinter ihr das Einhorn trat und
    keuchte. »Der Preis für die Fähigkeit, al es beschlagen zu können… Er
    besteht darin, daß du al es beschlagen mußt, was man dir bringt. Um der
    Beste zu sein, muß man sich immer bemühen, Bestes zu leisten. Du
    zahlst diesen Preis, ebenso wie ich.«
    Das Einhorn trat mehrere Zentimeter Holz aus dem Türrahmen.
    »Aber Eisen…«, murmelte Jason. »Und Nägel…«

    »Ja?«
    »Eisen tötet das Geschöpf. Wenn ich das Einhorn mit Eisen beschlage,
    bringe ich es um. Und das Auslöschen von Leben gehört nicht dazu. Ich
    habe nie etwas getötet. Bei der Ameise dauerte die Arbeit viele Stunden
    lang, und sie hat nichts gespürt. Ich möchte einem Geschöpf, das mir
    nichts getan hat, keine Schmerzen zufügen.«
    »Hast du die Sachen aus der Kommode geholt, Gytha?«
    »Ja, Esme.«
    »Bring sie her. Und du, Jason… Schür das Feuer in der Esse.«
    »Aber wenn ich das Einhorn mit Eisen beschlage…«
    »Habe ich von Eisen gesprochen?«
    Dreißig Zentimeter neben Jasons Kopf schlug das Horn ein Loch in
    die Wand.
    Der Schmied gab nach.
    »Du mußt mit hereinkommen, um das Tier ruhig zu halten«, sagte er.
    »Ich habe noch nie einen solchen Hengst beschlagen, ohne daß sich
    mindestens zwei Männer und ein Junge daran festklammerten.«
    »Das Einhorn wird keinen Widerstand leisten«, stel te Oma Wetter-
    wachs fest. »Es muß mir gehorchen.«
    »Es hat den alten Pirsch ermordet«, ließ sich Nanny Ogg vernehmen.
    »Ich hätte keine Bedenken, es dafür zu töten.«
    »Schäm dich«, sagte Oma. »Es ist ein Tier. Tiere können niemanden
    ermorden. Dazu sind nur höher entwickelte Lebensformen imstande.
    Die Befähigung zum Mord unterscheidet uns von den Tieren. Gib mir
    den Sack.«
    Sie zog das schnaubende Wesen in die Schmiede, und einige Bürger
    beeilten sich, das große Tor zu schließen. Wenige Sekunden später bohr-
    te sich ein Huf durchs Holz.
    Ridcully eilte herbei, den Riemen einer großen

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