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Lords und Ladies

Lords und Ladies

Titel: Lords und Ladies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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der Erzkanzler. »Wenn dort
    überhaupt ein Stück Flachland existiert, so befindet es sich im Museum.«
    Ponder schwieg.

    »Habe früher den einen oder anderen Sommer dort verbracht«, fuhr
    der Erzkanzler fort. »Tja… Es hätte al es ganz anders kommen können.«
    Ridcully sah sich um. Wenn man von einer wichtigen Phase in seinem
    Leben berichten wol te, so legte man für gewöhnlich Wert auf Zuhörer.
    Der Bibliothekar starrte weiterhin aus dem Fenster und schmollte. Sei-
    ne schlechte Stimmung stand in unmittelbarem Zusammenhang mit dem
    hel blauen Halsband, auf dem PONGO geschrieben stand. Früher oder
    später würde jemand dafür büßen müssen.
    Der Quästor benutzte seinen Hut auf die gleiche Weise wie eine Napf-
    schnecke ihre Schale.
    »Es gab da ein Mädchen…«
    Ein grausames Schicksal verlangte von Ponder Stibbons, als einziger zu
    lauschen. Überrascht runzelte er nun die Stirn. Er wußte natürlich, daß
    auch der Erzkanzler rein theoretisch einmal jung gewesen sein mußte.
    Schließlich waren Jugend und Alter nur eine Frage der Zeit. Der gesunde
    Menschenverstand ließ vermuten, daß die Existenz von Zauberern nicht
    in Form von hundert Kilo schweren Siebzigjährigen begann. Doch gele-
    gentlich mußte der gesunde Menschenverstand daran erinnert werden.
    Stibbons glaubte sich nun verpflichtet, etwas zu sagen.
    »War sie hübsch?« erkundigte er sich.
    »Nein. Nicht in dem Sinne hübsch. Eher… eindrucksvoll. Ja, das trifft die Sache schon eher. Groß. Das Haar so blond, daß es fast weiß wirkte.
    Und Augen, deren Blick einen durchbohrte.«
    Ponder dachte darüber nach.
    »Du meinst nicht zufällig den Zwerg aus dem Feinkostladen in…«, be-
    gann er.
    »Ich meine, man hatte das Gefühl, daß jener Blick bis in den Kern der eigenen Seele traf«, sagte Ridcully etwas schärfer als beabsichtigt. »Und
    wie sie lief…«
    Er schwieg erneut und betrachtete die Wochenschau der Erinnerung.
    »Ich hätte sie geheiratet«, fügte er hinzu.

    Ponder blieb stumm. Wenn man ein Korken auf dem mentalen Strom
    einer anderen Person ist, so muß man sich damit begnügen, auf den Wel-
    len zu schaukeln.
    »Was für ein Sommer…«, sagte Ridcul y. »So wie dieser. Kornfeldkrei-
    se fielen wie dicke Regentropfen vom Himmel. Und… Nun, ich hatte
    Zweifel. Magie schien nicht zu genügen. Ich war ein wenig… verwirrt.
    Alles hätte ich für sie aufgegeben. Jedes verdammte Oktagramm, jeden
    verdammten Zauberspruch. Hätte nicht eine halbe Sekunde lang gezö-
    gert. Kennst du Ausdrücke wie ›Ihr Lachen klang wie ein Bach in den
    Bergen‹?«
    »Nun, persönlich bin ich damit nicht vertraut«, sagte Ponder. »Aber ich habe Gedichte gelesen, die…«
    »Ich halte die Poesie für Blödsinn«, meinte Ridcul y. »Bergbäche habe
    ich oft gehört, und sie verursachen praktisch immer die gleichen Geräu-
    sche: Es plätschert und gluckert. Außerdem enthalten sie oft komische
    kleine Biester. Ich meine Insekten mit… Nun, wie dem auch sei: Nach
    Gelächter hört es sich gewiß nicht an. Aus irgendeinem Grund kriegen
    es Dichter nie richtig hin. Sie schreiben zum Beispiel: ›Sie hatte Lippen
    wie Kirschen.‹ Klein, rund und mit einem Kern? Ha!«
    Der Erzkanzler schloß die Augen.
    Nach einer Weile fragte Stibbons: »Und was geschah dann?«
    »Wie?«
    »Was geschah mit dem Mädchen?«
    »Mit welchem Mädchen?«
    »Von dem du eben erzählt hast.«
    »Oh, das Mädchen meinst du. Die junge Dame wies mich ab. Sie
    sprach von Dingen, die eine große Rol e für sie spielten. Und sie glaubte,
    es gäbe später noch genug Zeit für al es andere.«
    Wieder folgte Stille.
    »Und was passierte dann?« hakte Ponder nach.
    »Was sol schon passiert sein? Ich ging fort und studierte. Das Seme-
    ster begann. Ich schrieb viele Briefe, bekam jedoch nie Antwort. Wahr-
    scheinlich haben die Briefe nie ihr Ziel erreicht. Möglicherweise hält man

    Briefe dort oben für Delikatessen. Im nächsten Jahr studierte ich den
    ganzen Sommer über und fand keine Gelegenheit, nach Lancre zu reisen.
    Ich kehrte nie dorthin zurück. Examen und so. Inzwischen ist sie sicher
    längst tot oder eine dicke alte Oma mit mindestens zehn Kindern und
    noch mehr Enkeln. Damals hätte ich sie auf der Stel e geheiratet. Ja, auf
    der Stelle.« Ridcully kratzte sich am Kopf. »Seltsam. Der Name ist mir
    entfallen…«
    Er streckte sich und stützte die Füße auf den Quästor.
    »Komisch«, brummte er. »Erinnere mich nicht mehr an den Namen.
    Ha! Sie konnte

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