Lords und Ladies
mehrfacher Großvater.«
»Schreibt mir nie, der Bursche«, brummte dieser Ridcul y. »Und er hat mich nicht zur Hochzeit eingeladen.«
»Wer?«
»Er.«
»Aber er ist du!«
»Tatsächlich? Na so was. Man sollte meinen, daß ich an mich selbst
denke, nicht wahr? Ein echter Mistkerl!«
Ridcully war keineswegs dumm. Wirklich dumme Zauberer haben die
Lebenserwartung eines Hammers aus Glas. Der Erzkanzler verfügte
über einen starken Intellekt, doch es handelte sich eher um die Stärke
einer Lokomotive. Sein Denken und Empfinden bewegte sich auf Glei-
sen und konnte kaum gesteuert werden.
Es gibt Paralleluniversen, obgleich sie nicht in dem Sinne »parallel« sind.
Sie winden sich umeinander, wie das Ergebnis verrückt spielender Web-
stühle, oder wie eine Meute Yossarianer mit Mittelohrproblemen.
Und sie verzweigen sich. Allerdings nicht immer, und dieser Punkt ist
sehr wichtig. Die Universen scheren sich nicht darum, ob man auf einen
Schmetterling tritt. Immerhin existieren noch viel mehr Schmetterlinge.
Vielleicht bemerken die Götter, wenn ein Sperling fäl t, aber sie versu-
chen nicht, ihn aufzufangen.
Man erschieße den Diktator, um einen Krieg zu verhindern. Aber der
Diktator ist nur die Spitze eines brodelnden sozialen Eiterbergs, der Dik-
tatoren hervorbringt. Wenn man einen erschießt, erscheint sofort ein
anderer. Sol man ihn ebenfal s umbringen? Warum nicht al e töten und
in Polen einmarschieren? In fünfzig, dreißig oder zehn Jahren schlägt die
Geschichte wieder ihren ursprünglichen Kurs ein. Sie hat immer ein gro-
ßes Bewegungsmoment…
Fast immer…
Zur Kreis-Zeit, wenn die Wände zwischen Dies und Das dünner sind, wenn sich Lecks bilden… Dann können Entscheidungen getroffen werden. Dann ist es möglich, das Universum durch ein anderes Bein der allgemein bekannten Hose der Zeit zu schicken.
Aber es gibt auch Tümpel, in denen sich nichts rührt: Universen, die
von Vergangenheit und Zukunft abgeschnitten sind. Sie müssen sich
Vergangenes und Zukünftiges von anderen Universen stehlen. Ihre ein-
zige Hoffnung besteht darin, während dieser kritischen Phase bei den
dynamischen Universen zu schmarotzen, sich an ihnen festzuklammern
wie ein Schiffshalter an einem vorbeischwimmenden Hai. Dies sind die
Parasitenuniversen, und sie bekommen ihre Chance, wenn Kornfeldkrei-
se dicken Regentropfen gleich vom Himmel fal en…
Das Schloß Lancre war viel größer als nötig und erweckte den Eindruck,
für ein größeres Königreich bestimmt zu sein. Nun, die Chancen für ein
Wachstum von Lancre standen denkbar schlecht. Auf drei Seiten ragten
steile, unwirtliche Berge empor, und die vierte Seite wäre nur dann eine
Seite gewesen, wenn es dort keinen steilen Abhang gegeben hätte.
Nun, soweit man weiß, gehören die Berge niemandem. Sie sind einfach
nur Berge.
Das Schloß erstreckte sich in al e Richtungen und schien regelrecht zu
wuchern. Niemand ahnte, wie weit die Keller reichten.
Heutzutage wohnten al e in den Türmen und Sälen in der Nähe des
Tors.
»Ich meine, man sehe sich nur die Zinnen an«, sagte Magrat.
»Wie bitte, Gnäfrau?«
»Die ausgeschnittenen Teile oben auf den Mauern. Von dort aus könn-
te man ein großes Heer abwehren.«
»Dafür ist das Schloß doch da, nicht wahr, Gnäfrau?«
Magrat seufzte. »Hör bitte auf, dauernd ›Gnäfrau‹ zu sagen. Es klingt
gräßlich.«
»Ja, Gnäfrau.«
»Ich meine, gegen wen könnten wir hier schon kämpfen? Nicht einmal
Trol e kommen über die Berge, und wer der Straße folgt, lädt praktisch
dazu ein, daß man ihm einen Stein auf den Kopf wirft. Außerdem brau-
chen wir nur die Brücke von Lancre zu zerstören, um hier sicher zu sein.
Woraus die Frage folgt: Wozu dient das Schloß?«
»Ich weiß nicht, Gnäfrau. Ich schätze, Könige brauchen ein Schloß,
um richtige Könige zu sein.«
»Denkst du denn nie richtig über was nach, dummes Mädchen?«
»Was nützt das, Gnäfrau?«
Ich habe sie »dummes Mädchen« genannt, dachte Magrat. Das Königliche färbt auf mich ab.
»Na schön«, sagte sie. »Wo waren wir stehengeblieben?«
»Wir brauchen zweitausend Meter vom blauen Chintz mit den kleinen
weißen Blumen«, antwortete Millie.
»Und wir haben noch nicht einmal die Hälfte der Fenster ausgemessen.«
Magrat rollte das Maßband zusammen.
Sie blickte durch die Lange Galerie. Es gab eine Sache, die an ihr sofort
auffiel, die jeder Beobachter unverzüglich bemerkte: Die Lange
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