Lords und Ladies
Zeitpunkt unserer Rückkehr?«
Nanny schien einige Sekunden zu lange nachzudenken.
»Keine Ahnung«, antwortete sie schließlich. »Nun, Könige sind ein
bißchen magisch. Können Schuppen und so heilen. Vermutlich wachte
er eines Morgens auf und bekam einen Tip von seinen königlichen Privi-
legien.«
Das Problem mit Nanny Ogg bestand darin, daß sie immer den Ein-
druck erweckte, mit viel Phantasie zu lügen. Sie hatte ein recht pragmati-
sches Verhältnis zur Wahrheit und hielt sich daran, wenn es ihr zweck-
mäßig erschien – und wenn ihr nichts Interessanteres einfiel.
»Bist im Schloß sicher sehr beschäftigt, wie?« fragte Nanny.
»Wir kommen gut zurecht, danke«, erwiderte Magrat und hoffte, das
richtige Maß königinnenhafter Arroganz in ihrer Stimme mitklingen zu
lassen.
»Hast bereits Freunde gefunden, wie?«
»Was?«
»Hast wahrscheinlich kaum mehr Gelegenheit, allein zu sein, oder?«
»Wen meinst du?« fragte Magrat verwirrt.
»Euch.«
»Ich habe von mir gesprochen!«
»Du hättest deutlicher darauf hinweisen sol en«, entgegnete Nanny mit
unbewegter Miene. »Nun, Hauptsache, du bist mit irgend etwas beschäf-
tigt.«
»Verence wußte, daß wir zurückkehrten«, sagte Magrat scharf. »Er hatte sogar schon die Einladungen vorbereitet. Da fäl t mir ein… Du bekommst auch eine.«
»Ich weiß.« Nanny Ogg nickte. »Ist heute morgen schon angekommen.
Mit Goldrand und vielen Schnörkeln und so. Wer ist Eresfaupeh?«
Magrat kannte Nanny Ogg lange genug, um eine al gemeine Vorstel-
lung ob ihrer Denkweise gewonnen zu haben.
»RSVP«, sagte sie. »Das bedeutet: Man bittet dich um eine Mitteilung,
ob du kommst.«
»Oh, kein Problem, Wir kommen bestimmt, so etwas lassen Wir Uns
nicht entgehen«, brummte Nanny. »Übrigens: Habt Ihr eine Einladung
von Unserem Jason bekommen? Nein? Dachten Wir Uns. Kann mit
dem Schmiedehammer besser umgehen als mit einem Schreibstift, Unser
Jason.«
»Eine Einladung wozu?« fragte Magrat. Sie hatte allmählich genug vom
Wir und Uns.
»Hat Verence dich nicht darauf hingewiesen? Ein speziel es, extra für
dich geschriebenes Bühnenstück wird aufgeführt.«
»Oh, ja«, sagte Magrat. »Du meinst die Unterhaltung.«
»Genau«, bestätigte Nanny. »Die Aufführung findet am Vorabend der
Mittsommernacht statt.«
»Am Vorabend der Mittsommernacht müssen wir uns ganz besondere
Mühe geben«, sagte Jason Ogg.
Die Tür der Schmiede war verriegelt. Am Herd hatten sich die acht
Mitglieder der »Moriskenmänner von Lancre« versammelt, sechsfache
Sieger der Moriskentanz-Meisterschaft von den Fünfzehn Bergen*. Sie
versuchten gerade, sich an eine neue Kunstform zu gewöhnen.
»Ich komme mir wie ein Trottel vor«, sagte Sodomie Tischler, der ein-
zige Bäcker von Lancre. »Ein Kleid anzuziehen… Ich hoffe nur, meine
Frau sieht mich nicht!«
»Hier steht…« Jason Oggs ziemlich großer Zeigefinger kroch zögernd
über die Seite. »Hier steht, daß es eine wundervol e Geschichte ist. Es
geht um die Liebe der Feenkönigin – das bist du, Sodomie…«
»Besten Dank!«
»… zu einem Sterblichen. Außerdem ist hier die Rede von einem hu-
mor-vollen In-ter-mezzo mit lustigen Handwerkern…«
* Dreimal sofort, einmal nach elf Stunden Verlängerung und zwei weitere Male, weil die anderen Finalisten wegliefen.
»Wovon unterscheiden sich lustige Handwerker von ernsten?« fragte
Weber, der Dachdecker.
»Keine Ahnung. Vielleicht zimmern die lustigen schiefe Stühle und Ti-
sche.« Jason kratzte sich am Kopf. »Oder sie hauen sich dauernd auf die
Daumen.« Argwöhnisch blickte er auf seine Hände hinab.
»Warum können wir keinen normalen Moriskentanz tanzen?« erkun-
digte sich der Schneider Obidiah Tischler.*
»Der Moriskentanz ist was für jeden Tag«, erwiderte Jason. »In diesem
besonderen Fal erwartet man Kulturel es von uns. Das Bühnenstück
kommt den ganzen weiten Weg von Ankh-Morpork hierher.«
»Wie wär’s mit dem Stock-und-Eimer-Tanz«, schlug Bäcker, der We-
ber, vor.
»Der Stock-und-Eimer-Tanz wird nie wieder getanzt«, sagte Jason. »Der alte Klimper hinkt noch immer, und inzwischen sind drei Monate vergangen.«
Weber, der Dachdecker, blickte auf seine Abschrift des Skripts hinab.
»Wer spielt diesen Burschen namens Siegehenab?« fragte er.
»Meine Rol e gefäl t mir nicht besonders«, ließ sich Tischler verneh-
men. »Ist zu klein.«
»Seine arme Frau tut mir leid«, sagte Weber automatisch.
»Warum?«
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