Lords und Ladies
»Aber…«
»Es geht hier um Hexenkunst«, betonte Oma Wetterwachs. »Nicht um
irgendein Spiel. Ach, ach…«
Sie ging an der kurzen Reihe zitternder Möchtegernhexen entlang.
»Wie heißt du, Mädchen?«
»Magenta Frottich, Frau Wetterwachs.«
»Ich wette, deine Mutter nennt dich anders.«
Magenta sah zu Boden.
»Für Mama bin ich Violett, Frau Wetterwachs.«
»Nun, ist wenigstens eine bessere Farbe als Magenta«, bemerkte Oma.
»Möchtest ein bißchen mysteriös wirken, wie? Die Leute sol en glauben,
dir läge das Okkulte im Blut, oder? Kannst du Magie beschwören? Deine
Freundin hat dich eine Menge gelehrt, stimmt’s? Stoß mir den Hut vom
Kopf.«
»Wie bitte?«
Oma Wetterwachs trat zurück und drehte sich um.
»Stoß ihn mir vom Kopf. Ich versuche nicht, dich daran zu hindern.
Nur zu.«
Magenta lief ein wenig violett an, bevor ihre Wangen rosa wurden.
»Äh… Mit dem Tele-Dingsbums bin ich nie sehr gut zurechtgekom-
men…«
»Lieber Himmel! Na, mal sehen, was deine Freundinnen können. Wie
heißt du, Mädchen?«
»Amanita, Frau Wetterwachs.«
»Ein hübscher Name. Nun, zeig uns, wozu du fähig bist.«
Amanita wand sich nervös hin und her.
»Ich, äh… Ich fürchte, ich krieg’s nicht hin, solange du mir zusiehst.«
»Wirklich schade.« Und zum dritten Mädchen: »Wer bist du?«
»Agnes Nitt«, sagte Agnes, die schnel er von Begriff war als ihre beiden
Begleiterinnen und deshalb nicht auf dem Namen Perdita bestand.
»Na los. Versuch’s.«
Agnes konzentrierte sich.
»Es rührt sich nichts«, stellte Oma fest. »Habe den Hut noch immer
auf. Zeig’s ihnen, Gytha.«
Nanny Ogg seufzte, griff nach einem Zwerg und warf ihn. Oma fing
ihn auf, bevor er ihr den Hut vom Kopf stoßen konnte.
»Aber, aber…«, stotterte Amanita. »Du hast doch gesagt, daß wir Ma-
gie verwenden sol en, um…«
»Nein«, widersprach Oma.
»Aber das hätte jeder gekonnt«, wandte Magenta ein.
»Darum geht’s nicht«, sagte Oma. »Wichtig ist nur: Ihr seid nicht auf
die Idee gekommen.« Sie lächelte, was nur sehr selten geschah. »Hört
mal: Ich möchte nicht gemein zu euch sein. Ihr seid jung. Es gibt viele
Dinge auf der Welt, mit denen ihr euch beschäftigen könntet. Wenn ihr
wirklich wüßtet, was es mit der Hexenkunst auf sich hat… In dem Fal
würdet ihr euch nicht mehr wünschen, Hexen zu sein. Geht jetzt. Kehrt
heim. Wendet euch nicht dem Paranormalen zu, bevor ihr das Normale
kennt. Na los, verschwindet!«
»Es war ein Trick!« entfuhr es Magenta. »Diamanda hat recht. Ihr be-
nutzt nur Worte und irgendwelche Tricks…«
Oma hob die Hand.
Die Vögel in den Bäumen stellten ihren Gesang ein.
»Gytha?«
Nanny Ogg griff besorgt nach ihrem Hut.
»Dieses Ding hat mich zwei Dollar gekostet, Esme…«
Lautes Donnern hal te durch den Wald.
Blitze zuckten eher sanft vom Himmel herab.
Oma richtete den Zeigefinger auf die Mädchen, die sich aus der Schuß-
linie verziehen wollten.
»Und nun…«, fauchte sie. »Ich schlage vor, ihr besucht eure Freundin. Sie
hat eine Niederlage erlitten. Mit ziemlicher Sicherheit braucht sie Trost.«
Magenta, Amanita und Agnes starrten noch immer auf den Zeigefin-
ger. Er schien sie über alle Maßen zu faszinieren.
»Ich habe euch gerade aufgefordert, nach Hause zu gehen. Und ich ha-be dabei ganz ruhig gesprochen. Sol ich etwa schreien ?«
Die Mädchen drehten sich um und liefen davon.
Nanny Ogg schob die Hand durch eine arg in Mitleidenschaft gezoge-
ne Hutkrempe.
»Es dauerte eine halbe Ewigkeit, um al e Zutaten für das Schweine-
heilmittel zu bekommen«, grummelte sie. »Man braucht dazu acht ver-
schiedene Blattsorten: Weiden, Wurmkraut, Des Alten Mannes Hose…
Einen ganzen Tag lang habe ich im Wald gesucht. Immerhin wachsen
diese Blätter nicht einfach so an Bäumen…«
Oma Wetterwachs sah den Mädchen nach.
Nanny Ogg zögerte. »Dabei fäl t einem wieder die eigene Jugend ein,
nicht wahr? Ich weiß noch, wie ich als Fünfzehnjährige vor der alten
Biddy Unheimer stand und sie mit fast drohender Stimme sagte: ›Du
willst was werden?‹ Ich hatte solche Angst, daß ich zu schlottern begann und…«
»Ich habe nie vor jemandem gestanden«, sagte Oma Wetterwachs.
»Ich bin Tag und Nacht in Mütterchen Owehs Garten geblieben, bis sie
schließlich versprach, mich alles zu lehren, was sie wußte. Ha! Dazu
brauchte sie eine Woche, und ich hatte jeden Nachmittag frei.«
»Sol das heißen, du wurdest nicht auserwählt
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