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Lords und Ladies

Lords und Ladies

Titel: Lords und Ladies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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gehen? Du willst sie rufen, nicht wahr? Zeig mir
    deine Hände.«
    Omas Tonfal blieb unverändert, doch die letzten Worte kamen einem
    Befehl gleich. Diamandas Hände bewegten sich von ganz allein und ga-

    ben ihr keine Gelegenheit, sie zu kontrollieren. Oma griff danach und
    hielt sie fest – ihre Haut fühlte sich an wie Sackleinen.
    »Hast nie hart gearbeitet, oder?« kommentierte sie im Plauderton.
    »Hast nie Kohl mit Eis drauf geschnitten oder ein Grab ausgehoben
    oder eine Kuh gemolken oder eine Leiche aufgebahrt.«
    »Das muß man auch nicht, um eine Hexe zu sein!« erwiderte Diamanda
    scharf.
    »Habe ich das behauptet? Ich möchte dir etwas erzählen. Es geht dabei
    um rotgekleidete Frauen mit Sternen im Haar. Und vielleicht auch Mon-
    den. Es geht um Stimmen, die hinter deiner Stirn erklingen, während du
    schläfst. Und um die Verlockung der Macht. Sie hat dir große Macht versprochen, nehme ich an. Sie hat dir in Aussicht gestel t, al e deine
    Wünsche zu erfül en. Einfach so.«
    Diamanda schwieg.
    »Das ist schon einmal geschehen. Es gibt immer jemanden, der bereit-
    willig zuhört.« Oma Wetterwachs’ Blick schien einen Punkt in der Ferne
    anzuvisieren. »Wenn man einsam ist, wenn al e anderen Leute dumm zu sein scheinen, wenn die Welt voller Geheimnisse steckt, in die einen
    niemand einweiht…«
    »Kannst du meine Gedanken lesen?«
    »Deine?« Oma richtete wieder ihre vol e Aufmerksamkeit auf das Mäd-
    chen, und die alte Schärfe kehrte in ihre Stimme zurück. »Ha! Blumen
    und so. Ohne Schlüpfer tanzen. Mit Karten und Bindfäden herumspie-
    len. Und vermutlich hat’s auch geklappt. Die Frau in Rot gab dir Macht,
    für eine Weile. Oh, sicher hat sie gelacht. Später gab es etwas weniger
    Macht, für einen Preis. Und irgendwann gibt es keine Macht mehr, und
    du bezahlst jeden Tag. Sie nehmen immer mehr als sie geben. Und was sie geben… Es hat überhaupt keinen Wert. Und dafür nehmen sie alles.
    Insbesondere unsere Furcht gefäl t ihnen. Und sie haben es vor al em auf
    unseren Glauben abgesehen. Sie kommen, wenn du sie rufst. Ja, wenn du
    sie rufst, öffnest du eine Tür, denn zur Kreis-Zeit sind die Wände zwi-
    schen den Welten dünn genug, um die andere Seite zu hören. Die Tänzer
    sind bereits sehr geschwächt. Ich… ich lasse nicht zu, daß die Herren
    und Herrinnen zurückkehren.«

    Diamanda machte den Mund auf.
    »Ich bin noch nicht fertig. Du bist ein intelligentes Mädchen. Es gibt
    viele interessante Dinge für dich. Eine Hexe möchtest du bestimmt nicht
    sein. Es ist alles andere als ein leichtes Leben.«
    »Du verrückte Alte! Du verstehst doch gar nichts! Die Elfen sind ganz
    anders…«
    »Sprich den Namen nicht laut aus! Sprich ihn nicht laut aus! Sie kom-
    men, wenn man sie ruft…«
    »Gut! Elfen, Elfen, Elfen! Elfen…«
    Oma versetzte dem Mädchen eine schal ende Ohrfeige.
    »Selbst du solltest wissen, daß so etwas töricht und kindisch ist«, sagte
    sie. »Hör mir zu. Wenn du in Lancre bleiben willst, so rate ich dir drin-
    gend, die Hexerei an den Nagel zu hängen. Oder du kannst einen ande-
    ren Ort aufsuchen, erfolgreich sein, eine Dame von Welt werden und so
    – du hast das Zeug dazu. Viel eicht kehrst du in zehn Jahren zurück, mit
    vielen Juwelen und so. Viel eicht kannst du uns Stubenhocker dann her-
    umkommandieren. Nun, warum nicht? Aber wenn du hierbleibst und
    versuchst, sie zu rufen… Dann bekommst du es mit mir zu tun. In dem Fal geht’s nicht mehr um irgendwelche dummen Spielchen im Sonnenschein, sondern um echte Hexenkunst. Ich meine nicht den Unfug mit Monden und Kreisen. Nein, ich meine wahre Fleisch-und-Knochen-Magie. Und davon hast du nicht die geringste Ahnung, kapiert? Bei solchen Sachen ist für Gnade und Barmherzigkeit kein Platz.«
    Diamanda hob den Kopf. Omas Hand hatte eine rote Stel e in ihrem
    Gesicht hinterlassen.
    »Soll ich jetzt gehen?« fragte sie.
    Oma Wetterwachs reagierte eine Sekunde zu spät.
    Diamanda sprang zwischen die Steine.
    »Du dummes Kind! Nicht dorthin!«
    Die Gestalt des Mädchens wurde bereits kleiner, obgleich die Entfer-
    nung nur einen oder zwei Meter betrug.
    »Verflixt!«

    Oma folgte Diamanda und hörte, wie die Tasche ihres Rocks aufriß –
    darin steckte der Schürhaken, den sie sicherheitshalber mitgenommen
    hatte. Das Ding sauste nun davon, schepperte an einen Tänzer und kleb-
    te daran fest.
    Ein dumpfes Pling-plong erklang, als sich die Nägel aus den Stiefeln lö-
    sten und zu den Steinen

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