Lords und Ladies
Grundelemente der Zauberei sind der Orden, das Institut und natür-
lich die Universität.
Das Grundelement der Hexerei ist die Hexe, doch es gibt noch ein an-
deres, immer vorhandenes Grundelement, nämlich die Hütte.
Bei einer Hexenhütte handelt es sich um ein ganz besonderes architek-
tonisches Objekt. Sie wird nicht in dem Sinne gebaut, sondern im Lauf
der Zeit zusammengesetzt, was dazu führt, daß die reparierten Bereiche
immer dichter zusammenrücken. Man denke dabei an eine Socke, die nur
aus gestopften Stel en besteht. Der Kamin schraubt sich wie ein Korken-
zieher nach oben. Das Reet des Daches ist so alt, daß kleine Bäume darin
wachsen. Die Bodendielen sind hin und her gebogen; des Nachts knar-
ren sie ebenso hingebungsvol wie die Planken eines Segelschiffs im
Sturm. Wenn nicht mindestens zwei Wände mit Balken abgestützt sind,
ist es keine richtige Hexenhütte, sondern nur das Heim einer dummen
Alten, die aus Teeblättern die Zukunft liest und mit ihrer Katze spricht.
Offenbar locken solche Hütten die gleiche Art Hexen an. Das ist ganz
natürlich. Jede Hexe bildet in ihrem Leben ein oder zwei junge Hexen
aus, und wenn sie schließlich das Zeitliche segnet, nimmt eine Nachfol-
gerin ihren Platz ein.
In Magrats Hütte hatten nachdenkliche Hexen gewohnt, die dazu neig-
ten, Dinge zu bemerken und zu notieren. Welche Kräuter wirkten besser
gegen Kopfschmerzen als andere; Teile alter Geschichten; Legenden;
dies und das – darum ging es in den schriftlichen Hinterlassenschaften.
In den Regalen standen zwölf Bücher, die mit winziger Handschrift
und sorgfältigen Zeichnungen vol gekritzelt waren. Hinzu kamen ge-
trocknete und gepreßte Blumen und Frösche.
Es war eine Hütte von Hexen, die sich der Forschung verschrieben
hatten, die nicht aufhörten, Fragen zu stel en. Das Auge von welchem Molch? Welche Spezies von Haien, die in tiefen Meeresschluchten lebten?
Und wenn man zur Herstel ung eines Tranks Blätter des Wilden Stief-
mütterchens benötigte… In verschiedenen Teilen des Kontinents wuch-
sen insgesamt siebenunddreißig Pflanzen, die diesen Namen trugen –
welche war gemeint?
Oma Wetterwachs kam mit der Hexerei deshalb besser zurecht als Ma-
grat, weil sie wußte: Bei der Hexenkunst spielte es überhaupt keine Rolle,
welche Blätter man verwendete.
Magrat hingegen glaubte, daß solchen Dingen große Bedeutung zukam,
und deshalb war sie die bessere Heilerin.
Die Kutsche hielt vor einer Barrikade auf der Straße.
Das Oberhaupt der Räuberbande rückte sich die Augenklappe zurecht
– mit seinen Augen war al es in bester Ordnung, aber die Leute respek-
tierten einen in Uniform mehr.
Er trat näher.
»Morgen, Jim. Was haben wir denn heute?«
»Äh, diesmal könnten sich Probleme ergeben«, antwortete der Kut-
scher. Ȁh, da sitzen einige Zauberer drin. Und ein Zwerg. Und ein Af-
fe.« Er hob die Hand zum Kopf und zuckte zusammen. »Ja, ein Affe.
Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Um es ganz deutlich zu
sagen: Es handelt sich nicht um irgendein besonders haariges Tier.«
»Ist alles in Ordnung mit dir, Jim?«
»Diese Passagiere sind seit Ankh-Morpork an Bord. Sprich mich bloß
nicht auf getrocknete Froschpillen an.«
Der Räuberboß zog die Brauen hoch.
»Na schön. Wie du meinst.«
Er klopfte an die Tür der Kutsche. Das Fenster öffnete sich.
»Ihr sol tet euch diese Sache nicht als einen Überfal vorstellen«, sagte
er. »Seht darin statt dessen eine interessante Anekdote, die ihr später
euren Enkeln erzählen könnt.«
Im Innern der Kutsche sagte eine Stimme: »Das ist er! Der Kerl hat
mein Pferd geklaut!«
Der Stab eines Zauberers ragte durchs Fenster. Der Räuber sah den
Knauf am Ende.
»Oh, ich bitte euch«, sagte er freundlich. »Ich kenne die Regeln. Zaube-
rer dürfen nur dann Magie gegen Zivilisten einsetzen, wenn sie in eine
Situation geraten, die ihr Leben unmittelbar bedro…«
Oktarines Licht gleißte.
»Es ist keine Regel«, stellte Ridcully fest. »Eher eine unverbindliche
Richtlinie.« Er wandte sich an Ponder Stibbons. »Eine interessante Ver-
wendung von Mumucks Morphischem Resonator, wie du hoffentlich
bemerkt hast.«
Ponder sah zu Boden.
Der Räuberboß war in einen Kürbis verwandelt worden; das Naturge-
setz des al gemeingültigen Humors sorgte dafür, daß er nach wie vor
seinen Hut trug.
»Und nun…« Ridcully hob die Stimme. »Ich schlage vor, daß al e ihre
Verstecke hinter den
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