Lords und Ladies
Zuschauer blickten starr zur Bühne.
Der Orang-Utan wedelte mit der Hand vor Stibbons Gesicht.
Über dem Hügel flimmerte es, und das Gras am Hang wogte auf eine
Weise, die dem Bibliothekar Tränen in die Augen trieb.
»Ugh?«
Oben, zwischen den Steinen des Kreises, begann es zu schneien.
»Ugh ?«
Magrat befand sich allein in ihrem Zimmer und holte das Hochzeitskleid
hervor.
Dies war noch so eine Sache.
Sie hätte zumindest am Kleid beteiligt sein müssen. Immerhin war es für sie bestimmt, für die Braut – die sie bis vor kurzem gewesen war. Magrat stellte sich vor, wie sie wochenlang den Stoff ausgesucht, anprobiert und
es sich wieder anders überlegt, das Material gewechselt, das Muster ver-
ändert und wieder anprobiert hätte…
Nun, als unabhängige, selbständige Frau war so etwas eigentlich unter
ihrer Würde…
Aber sie hätte gern die Möglichkeit gehabt – wenn auch nur deshalb, um sie abzulehnen.
Das Kleid bestand aus weißer Seide und einer geschmackvol en Menge
Spitze. Mit der Sprache der Schneiderei kannte sich Magrat nicht beson-
ders gut aus. Sie wußte, worum es sich bei diesem und jenem handelte,
aber die Fachbegriffe fehlten in ihrem Vokabular. All die Rüschen und
Falten und Rockbahnen und so…
Sie hob das Kleid und stellte sich darin vor.
An der einen Wand hing ein kleiner Spiegel.
Einige Sekunden lang rang Magrat mit sich selbst, und dann gab sie
nach. Was keineswegs bedeutete, daß sie mit dem Gedanken spielte, das
Gewand am nächsten Tag zu tragen. Aber: Wenn sie es jetzt nicht aus-
probierte, würde sie sich ihr Leben lang fragen, ob es gepaßt hätte.
Es paßte. Besser gesagt: Es paßte nicht, al erdings auf eine sehr
schmeichelhafte Art. Der Schneider hatte überaus geschickte Dinge mit
dem Stoff angestel t: Das Kleid neigte sich dort nach innen, wo es bei
Magrat eher gerade Linien gab, und es wies dort Wölbungen auf, wo sie
der Exhexe fehlten.
Seidenblumen schmückten das Stirnband des Schleiers.
Ich fange jetzt auf keinen Fal an zu weinen, dachte Magrat. Ich bleibe verärgert.
Ich konzentriere mich so sehr auf den Ärger, daß er wächst und zu Zorn wird. Und wenn Verence, Nanny und die anderen zurückkehren…
Was dann?
Sie konnte ihnen mit unnahbarer Kühle begegnen und majestätisch an
ihnen vorbeirauschen – dieses Kleid eignete sich bestens dafür –, was
ihnen bestimmt eine Lehre sein würde.
Und dann? Sie konnte unmöglich hierbleiben. Immerhin wußten al e
Bescheid. Und wer wider Erwarten keine Ahnung haben sol te, erfuhr
sicher bald davon. Von dem Brief. Nachrichten verbreiteten sich in Lan-
cre schnel er als Terpentin in einem kranken Esel.
Woraus folgte: Es blieb Magrat nichts anderes übrig, als das Königreich zu verlassen und sich einen Ort zu suchen, wo es keine Hexen gab, um anschließend noch einmal von vorn zu beginnen. Und da war noch ein Problem: Derzeit brachte sie der Hexerei im großen und ganzen ausgesprochen negative Gefühle entgegen. Jeder andere Beruf war ihr lieber – sofern es überhaupt andere Berufe für eine ehemalige Hexe gab.
Sie schob das Kinn vor. Gal e blubberte wie eine heiße Quelle in ihr – derzeit war sie genau in der richtigen Stimmung, um einen ganz neuen Beruf zu schaf en. Am besten einen, der ohne Männer und alte Frauen, die sich in al es einmischten, aus-kam.
Den verdammten Brief wollte sie behalten – als eine Art Andenken.
Die ganze Zeit über hatte sie sich gefragt, wie es Verence gelungen war, schon Wochen vor ihrer Rückkehr mit den Vorbereitungen zu beginnen. Jetzt kannte sie die Antwort. Bestimmt haben sie über mich gelacht…
Nanny Ogg dachte kurz daran, daß sie eigentlich woanders sein sol te,
doch in ihrem Alter geschah es nicht jeden Tag, daß man zu einem ro-
mantischen Essen im Kerzenschein eingeladen wurde. Es mußte auch
einmal möglich sein, sich keine Sorgen um die Zukunft der Welt zu ma-
chen und den eigenen Bedürfnissen Aufmerksamkeit zu schenken. Ja,
irgendwann einmal mußte es Zeit genug geben, um in sich zu gehen.
»Meine Güte, dieser Wein schmeckt wirklich gut«, sagte Nanny Ogg
und griff nach der nächsten Flasche. »Wie heißt er?« Sie warf einen Blick
aufs Etikett. »Chateau Maison? Chat-eau – ah, das ausländische Wort für
Katzenwasser. So sind die Ausländer eben, geben allen Dingen komische
Namen, aber keine Angst, es ist nicht wirklich Katzenwasser. Echtes Katzenwasser riecht strenger.« Mit dem Griff des Messers rammte sie
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