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Loreley

Titel: Loreley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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und heulte, bis ihr die Luft wegblieb.
     
    Baan erreichte Burg Rheinfels noch am selben Abend, und Ailis beobachtete mit gri m mem Blick, wie er mit Fee und ihrer Familie im Haupthaus verschwand.
    Bald darauf schien bereits alles besprochen zu sein, denn ein Bote erschien und verkündete lautstark im Burghof, dass das Brautpaar schon am nächsten Morgen abre i sen werde. Die Hochzeitsfeier werde in der Burg des Bräutigams abgehalten, wie es bei denen von Fa l kenhagen Sitte sei.
    Viele nahmen diese Nachricht mit Enttäuschung auf, hatten sie sich doch bereits auf ein tagelanges Fest und viele Fässer mit Wein und Bier gefreut. Ailis aber hielt es für eine ausgesprochene Gnade der Götter. Sie war froh, nicht mitansehen zu müssen, wie sich Fee und Baan zur Hochzeitsnacht zurückzogen, um am nächsten Morgen stolz das blutbefleckte Laken zu präsentieren.
    Es war kein Neid, den sie spürte, darüber war sie sich mittlerweile im Klaren. Eifersucht, ja, aber das war e t was anderes. Sie neidete Fee nicht den Gatten und alles, was damit zu tun hatte – o nein, ganz gewiss nicht. A l les, was sie wollte, war ihre Freundin für sich zu beha l ten, und sie wusste sehr wohl, wie eigennützig und g e mein das war.
    Aber was sollte sie tun? Sie konnte nicht über ihren eigenen Schatten springen. Falls ihr Marsch zum Weißen Pferd ohne Wirkung blieb, musste sie sich mit den U m ständen abfinden. Und sie glaubte nicht wirklich, dass das Pferd Zauberkräfte besaß.
    Immerhin hatte niemand mitangesehen, wie sie sich im Schnee um sich selbst g e dreht hatte. Vielleicht war es ja doch den Versuch wert gewesen. Aber bis sich das zeigen würde, konnten Monde vergehen. Sie würde G e duld aufbringen müssen – und vielleicht, so hoffte sie, würde die Zeit bis dahin einige ihrer Wunden heilen.
    In der Nacht lag sie lange wach und horchte auf Fees leichte Schritte auf dem Gang. Sie konnte sie unter einem Dutzend anderer heraushören, und sie würde wissen, wann sie endlich zu Bett ging. Doch nur einige der and e ren Frauen kamen hin und wieder an der Tür vorbei, auf dem Weg in ihre eigenen Kammern. Nichts erklang, das auf Fee schließen ließ. Sie blieb lange mit ihrer Familie und Baan im Rittersaal, feierte wahrscheinlich das bevo r stehende Ereignis. Ob sie dabei gelegentlich an Ailis dachte? Wahrscheinlich hatte sie anderes im Kopf. Wie sie ihrem Ritter am besten zu Diensten sein konnte, zum Beispiel. Wie sie ihn Abend für Abend im Bett erwarten, seinen verschwitzten, nach Pferden stinkenden Körper verwöhnen und liebkosen würde.
    Ailis wurde ganz schlecht bei diesen Gedanken, aber sie wusste auch, dass sie sich damit nur selbst weh tat. Himmel, nie in ihrem Leben hatte sie sich so erbärmlich g e fühlt, und je höher der Mond stieg, und je länger Fees Schritte ausblieben, desto ve r zweifelter wurde sie.
    Am Morgen erwachte sie, erstaunt, dass sie offenbar doch noch eingeschlafen war. Im Licht des anbrechenden Tages hob sich ihre Stimmung ein wenig, doch dann keh r ten wieder all ihre Gedanken vom Vorabend zurück und ihr Herz wurde schwer vor Kummer. Heute also war es so weit. Fee w ürde Abschied nehmen und aus ihrem Leben verschwinden.
    Abschied! Ihr fiel ein, dass sie sich beeilen musste, wenn sie ihrer Freundin noch Lebewohl sagen wollte. Das Brautpaar wollte früh abreisen. Wieder sah sie die beiden in Gedanken vor sich, sah sie im Pferdeschlitten ihrem vermeintlichen Glück entgege n gleiten, lächelnd, scherzend und frisch verliebt.
    Woher willst du wissen, wie das ist?, stichelte ihre i n nere Stimme. Du warst noch nie verliebt, oder?
    Oder?
    Sie würde einfach in ihrer Kammer bleiben, bis die beiden fort waren. Warum die Klinge in der eigenen Wunde umdrehen, wenn es sich vermeiden ließ?
    Sie hatte gerade Hose und Wams übergestreift, als ein Klopfen an der Tür sie au f schrecken ließ.
    »Ailis?«, erklang es dumpf durch das Holz. »Ich bin’s, Fee.«
    Einen Augenblick lang erwog sie, einfach vorzugeben, sie sei nicht da. Aber dann würde Fee nachsehen, und der Riegel war nicht vorgeschoben.
    »Komm rein«, sagte sie.
    Fee trug ein Kleid mit Fellbesatz, darunter feste Wi n terstiefel. Ein Fuchsfell lag um ihren Hals, um sie wä h rend der langen Schlittenfahrt zu wärmen. Ihr Haar war zu einem festen Knoten am Hinterkopf hochgesteckt und wurde von einem Netz gehalten, in das winzige Edelste i ne eingewebt waren. Sie schloss leise die Tür hinter sich und lächelte zaghaft.
    »Ich bin hier, um mich zu

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