Loretta Chase
Gewissen
verpflichtet. Du selbst hast mich wiederholt daran erinnert, dass wir nicht mehr im
Mittelalter leben. Mandeville mag von seinem Sohn blinden Gehorsam erwarten,
aber Northwick ist nicht verpflichtet, ihm den zu leisten.«
Er richtete
seine ganze Aufmerksamkeit darauf, einen Funken zu schlagen. »Er hätte seiner
berüchtigten Verwandten auch nicht sein Liebesnest überlassen müssen, damit sie
es mit ihrer Schändlichkeit beschmutze«, fügte Bathsheba hinzu. »Und du
hast sicher bemerkt, wie viel ihm das Cottage bedeutet. Hast du diesen Unterton
in seiner Stimme gehört, als er von seiner Frau sprach?«
Sacht blies
Benedict den Zunder an und wurde mit einem schwachen Aufflackern belohnt.
Vorsichtig hielt er die winzige Flamme
an die Zündspäne.
»Ja, den
habe ich bemerkt«, sagte er, den Blick auf das dürftige Feuer gerichtet.
Ihm war nicht entgangen, wie sanft Northwicks Stimme geworden war, als er
»meine Frau« gesagt hatte, und was hatte Benedict den glücklichen Mann
darum beneidet! »Vielleicht hat meine ungeheuerliche Perfektheit deine
ungeheuerliche Unperfektheit überstrahlt. Oder vielleicht ist Northwick auch
aufgefallen, wie schmachtend du mich ansiehst, und er hat sich deiner
erbarmt.«
»Ich
schmachte nicht«, sagte sie.
Eine Braue
zweifelnd gehoben, drehte Benedict sich nach ihr um.
Sie trat
vom Fenster zurück. »Deine Fantasie geht mit dir durch«, sagte sie und
reckte das Kinn. »Ich finde dich allenfalls ganz erträglich.«
Die dürren
Späne knisterten und knackten. Flammen züngelten zum Holz empor und fraßen sich
gierig hinein. Das Feuer fing zu tanzen an, stieg lodernd und flackernd den
Kamin hinauf. Der Regen trommelte unvermindert auf das Dach und prasselte an
die Fenster.
»Was für
eine vorzügliche Lügnerin du bist«, meinte er. »Fast ist es, als wäre ich
mit Scheherezade zusammen. Nie weiß ich im Voraus zu sagen, welch wunderliche
Geschichte du demnächst fabulieren wirst.«
»Das ist keine
...«
»Seht her,
schöne Prinzessin«, sagte er, stand auf und zeigte auf sein vollbrachtes
Werk. »Ich habe Feuer für Euch gemacht.«
Sie starrte
in die Flammen. Nach einer Weile deutete ihr schöner Mund ein Lächeln an. »Und
welch formidables Feuer es ist, Rathbourne. Ein Holzfeuer gar. Wie
raffiniert.«
»Dies ist
ein Liebesnest«, erinnerte er sie. »Holz ist romantischer. Es riecht auch
besser als Kohle. Und hier ist es weniger
raffiniert als naheliegend. Vermutlich hast du die weitläufigen Waldungen bemerkt.«
»Ich habe
alles bemerkt«, erwiderte sie. »Ich wusste, dass Throgmorton ein großes
Anwesen ist, aber ich hatte nicht erwartet, dass es riesig ist. Fast wie ein
kleines Königreich.«
»Die
meisten großen Besitzungen sind wie kleine Königreiche«, sagte er.
»Ich habe
ein solches Anwesen noch nie in Begleitung des Grundherrn erkundet und mir von ihm
seine Geschichte und seine Pläne für die Zukunft des Gutes erklären
lassen«, sagte sie. »Dadurch bekommt man doch einen ganz anderen
Blick.«
»Northwick hat
ein gutes Gespür für diesen Ort«, bemerkte Benedict.
»Und
du?«, fragte sie. »Hast du ein Gespür für euren Familiensitz?«
»Meinst du
das Häuschen in Derbyshire?«, fragte er. »Ja, doch, irgendwie schon,
obwohl mein Leben sich eigentlich in London abspielt. Aber in London ist ein
Haus eben nur ein Haus. Auf dem Land ist ein Haus Teil einer ganzen Welt, die
Generationen zurückreicht. Überall findet sich die Handschrift und das Werk
meiner Ahnen.«
»Genau das
ist mir heute auch aufgefallen«, meinte sie. »Früher schienen mir solche
Anwesen stets wie Denkmäler, kolossale Monumente der Vergangenheit. Ich habe
sie nie zuvor als lebendige Gebilde betrachtet.«
»Weil du
nie Gelegenheit hattest, an ihrer Entwicklung teilzuhaben«, sagte er.
»Aber Edmund DeLucey hat sie gehabt. Und Jack auch.«
Sie schüttelte den
Kopf. »Ich hatte immer geglaubt, Edmund zu verstehen, weil ich dachte, Jack
verstanden zu haben. Beide waren jüngere Söhne, lebten im Schatten ihrer
Brüder. Beide wussten, dass sie niemals über das kleine Königreich der Familie
herrschen würden. Sie waren rastlose Männer, aber zu undiszipliniert
für eine militärische Laufbahn. Dort hätten sie Großes leisten und Helden
werden können. Stattdessen haben beide einen Weg eingeschlagen, der die Welt
schockierte.«
»Aber nun
verstehst du nicht mehr, weshalb sie bereit waren, all dies zu opfern.«
Benedict deutete mit dem Kopf zum Fenster, wo sich hinter der grauen
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