Loretta Chase
Schrittes kam sie anmarschiert, ihre Miene
verhieß nichts Gutes.
»Humber«,
sagte sie. »Wo bleibst du so lange?«
Mrs.
Wingate stöhnte leise.
Hastig
entledigte sich Humber seiner weichen, wohlgeformten Last und schob sie
Benedict in die Arme. »Bertha«, sagte er. »Was tust du denn um diese Zeit
draußen? Du wirst dir den Tod holen, das sage ich dir.«
»Wie hätte
ich bei dem Lärm denn schlafen sollen?«, wollte Bertha wissen.
Mrs.
Wingate seufzte.
Benedict
betrachtete die Frau, die sich matt in seine Arme schmiegte. Sie hatte bei der
Schlägerei ihre Haube verloren, ihr dunkles Haar hatte sich gelöst und fiel
offen herab. Ihr Kopf hing schlaff nach hinten, wodurch sich nicht nur ihr
weißer Hals seinen überhaupt nicht beherrschten Blicken darbot, sondern auch
ihre festen, runden Brüste sich ihm entgegenstreckten. Ihre weichen Lippen
waren leicht geöffnet, ihre Augen geschlossen ...
Mittlerweile
wusste er, dass sie nur so tat, doch das war auch schon alles, was er wusste.
Sein Gehirn war nicht annähernd so rege wie andere, weit tiefer angesiedelte
Körperregionen.
Von der
Prügelei war sie schmutzig und zerzaust, und das machte alles noch schlimmer.
Er wollte
ihr am liebsten jedes schmutzbesudelte, verschlissene Kleidungsstück vom Leib
reißen, sie bis auf die Haut entblößen und sie ...
Er sollte
sie waschen.
Ganz
langsam.
Vom
Scheitel bis zu den Zehenspitzen.
Mit Mühe –
und es war keine geringe – wurde er wieder Herr über seinen Verstand.
»Liebes«, sagte er mit schwerer Stimme. »Sprich zu mir.«
Sie ließ
die Augenlider flackern und kam ganz langsam wieder zu Bewusstsein. Gab vor,
sie käme zu Bewusstsein.
Da auch
Benedict dringend wieder zu sich kommen musste, sah er sich nach einer
Möglichkeit um, sich ihrer angemessen zu entledigen.
Betrunkener
eins und zwei lagen friedlich vor der Bank, von der sie gefallen waren, und
schnarchten vernehmlich. Benedict schob Nummer eins mit dem Fuß beiseite und
setzte Mrs. Wingate auf der Bank ab. Ehe er zurückweichen konnte, griff sie
nach seiner Hand.
Obwohl er
etwas Abstand brauchte, setzte er sich doch bereitwillig neben sie. Da ihm
einfiel, dass er ja ihren Gatten mimen sollte, legte er beherzt den Arm um sie
und versuchte, dabei nicht an Badeszenen zu denken.
»Liebster,
ich fürchte, mein Leiden verschlimmert sich«, sagte sie mit matter Stimme.
»Es ist kein gutes Zeichen: ein weiterer Anfall, so bald schon nach dem
letzten.« Sie schluchzte leise.
Ah, sie
würde also sterben.
»Nein,
nein, das wird schon. Bald geht es dir besser«, beruhigte Benedict sie und
tätschelte ihre Hand. »Das war nur der Schock – die prügelnden Männer, das Geschrei.
Es war zu viel für dich. Du hattest Angst.«
Vermutlich
nicht halb so viel Angst wie die schockierten Männer, die sie mit dem Griff der
Reitpeitsche traktiert hatte. Das Ding war aus gutem, solidem Schlehenholz
gearbeitet.
Sie
schüttelte den Kopf. »Nein, ich merke, dass ich schwächer werde«, sagte
sie mit wunderbar trauriger Tapferkeit. »Wie sehr hatte ich gehofft, meine
liebe Sarah noch einmal zu sehen, bevor ... bevor ... oh, du weißt schon.«
Benedict
wusste es nicht, aber er konnte es sich ungefähr vorstellen und spielte ebenso
tapfer mit. »Bald wirst du sie sehen, Liebes, das verspreche ich dir.«
»Oh, ich
wünschte, es könnte so sein«, seufzte sie. »Nur das noch wünsche ich mir.
Aber Montag ... könnte es zu spät sein. Ich weiß nicht, ob meine Kraft so lange
reicht.«
Wie von
Mrs. Wingate wohl beabsichtigt, zog die anrührende Szene die Aufmerksamkeit des
anderen Paares auf sich.
»Die Dame
ist krank?«, fragte Mrs. Humber und bedachte ihren Gatten mit finsterem
Blick.
»Nun, wer
hätte das ahnen können«, sagte der. »Angefühlt ... ich meine natürlich,
ausgesehen hat sie eigentlich ganz gesund. Und mir ist gesagt worden, dass sie
vorhin noch sehr lebhaft die Reitpeitsche geschwungen haben soll.«
Behutsam
half Benedict einer nun überraschend kraftlosen Mrs. Wingate, sich an die
Hauswand zu lehnen, erhob sich dann und gesellte sich zum Konstabier und dessen
Frau. »Könnten Sie sie im harschen Tageslicht sehen, würden Sie die Anzeichen
bemerken«, sagte er mit gesenkter Stimme. »Ich weiß nicht, woher sie die
Kraft genommen hat, mir zu Hilfe zu eilen. Es war leichtsinnig, ganz und gar
unklug, in ihrem Zustand ... aber sie hatte schon immer so viel M...Mut.«
Er ließ seine Stimme sich brechen.
»Für eine
Invalide hat sie noch ganz schön rege
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