Loretta Chase
Peregrine wohl
keine Sorgen machen«, meinte er. »Zur Not kann er sich auch selbst ganz
gut verteidigen. Er weiß seine Fäuste zu gebrauchen, wie der arme Nat Diggerby
ja am eigenen Leib erfahren durfte. Und in der Reisekutsche sind sie ohnehin
relativ sicher.«
»Relativ
sicher, ja«, wiederholte sie. »Aber uns läuft die Zeit davon. Wie weit ist
es noch bis Salt Hill?«
»Ungefähr
drei Meilen«, erwiderte er.
»Fahren Sie
schneller«, sagte sie.
Rathbourne fuhr schneller, doch vergebens.
Im
»Windmill« in Salt Hill teilte die Wirtin namens Mrs. Edkins ihnen mit,
dass nur ein einziger Passagier aus dem Courser gestiegen sei – eine ältere
Dame, die derzeit tief und fest in einem der Zimmer schlafe. Es sei nicht
nötig, sie zu wecken, da Mrs. Edkins zuvor schon ausführlich mit ihr geplaudert
habe.
Die Wirtin
erzählte Bathsheba und Rathbourne, was ihr Gast ihr berichtet hatte. In
Cranford Bridge seien zwei Jungen zugestiegen, die auf dem Heimweg von London
waren, um zu ihrer im Sterben liegenden Mama zu fahren. Die alte Dame hatte
Mitleid mit den Jungen gehabt und ihnen ein paar Münzen zugesteckt. Viel war es
nicht, denn sie nahm nie viel Bares mit auf Reisen, aber bis Twyford würden die
beiden damit kommen.
Bathsheba
schaute Rathbourne an. »Wie weit ist es bis Twyford?«, fragte sie.
»Ungefähr zwölf Meilen«, antwortete er.
»Wie ärgerlich. Ich hatte
gehofft, in absehbarer Zeit ein Bad nehmen zu können. Doch wie es scheint, muss
ich mich mit der Pumpe im Hof begnügen.«
»Sie haben
Ihren Pferden wohl ordentlich die Peitsche gegeben und dann einen Unfall
gebaut, was?«, fragte Mrs. Edkins und beäugte ihn von oben bis unten.
Trotz seines verschmutzten Gesichts, der fehlenden Knöpfe, dem wieder
aufgetauchten, doch arg ramponierten Krawattentuch, der schmutzstriemigen Hose
und den staubigen, abgewetzten Stiefeln leuchteten ihren Augen bei seinem
bloßen Anblick vor Bewunderung.
»Wir sind
in Colnbrook einer Horde betrunkener Rüpel begegnet«, klärte Bathsheba sie
auf.
»Aber Sie
hätten unsere Angreifer sehen sollen«, meinte Rathbourne, und seine
schwarzen Augen funkelten, »nachdem meine Frau mit ihnen fertig war.«
Damit
drehte er sich um und verschwand in dem schmalen Durchgang, der zum Hof führte.
Bathsheba schaute ihm nach und fragte sich, wie er es fertigbrachte, zerzaust
und attraktiv zugleich auszusehen, während sie ...
Doch der
Gedanke war vergessen, als ihr Blick von seinen breiten Schultern zu seinen
schmalen Hüften schweifte. Er lief so ... seltsam.
Sie eilte
ihm nach. »Sind Sie verletzt?«, fragte sie.
»Natürlich
nicht«, entgegnete er und lief weiter. »Ich brauche nur einen Schwung
kaltes Wasser, und schon bin ich wieder frisch und munter.«
Er schien
beim Gehen seine rechte Seite zu schonen. »Doch, Sie sind verletzt«,
beharrte sie. »Lassen Sie mich mal sehen. Vielleicht haben Sie sich eine Rippe
gebrochen.«
»Ich habe
mir gar nichts gebrochen«, sagte er. »Mich zwickt nur ein Muskel. Mein
Muskel zur Eliminierung betrunkener Rüpel ist mangels Gebrauch etwas schwach
und steif geworden. Da
zerrt man sich schnell mal was.«
»Mrs.
Edkins!«, rief sie.
Die Wirtin
kam in den Hofdurchgang geeilt.
»Mein Mann
hat sich verletzt«, sagte Bathsheba zu ihr. »Ich bräuchte warmes
Wasser.«
»Nein,
brauchst du nicht«, beschied er. »Mrs. Edkins, machen Sie sich
unseretwegen keine Umstände. Kein warmes Wasser.« Er warf Bathsheba einen
beschwörenden Blick zu. »Es ist zwei Uhr in der Früh. Du wirst nicht das ganze
Haus aufwecken, nur weil ich eine Muskelzerrung habe.« Er drehte sich um
und verzog vor Schmerz das Gesicht.
»Hören Sie
nicht auf ihn, Mrs. Edkins«, sagte Bathsheba. »Er ist ein Mann, und Sie
wissen ja, wie Männer sind.«
»Oh ja, das
weiß ich«, meinte die Wirtin. »Und es bereitet mir wirklich keine
Umstände. Wir sind hier sowieso rund um die Uhr auf den Beinen, weil doch
andauernd Kutschen mit Reisenden eintreffen. Ich bringe Ihnen sofort heißes
Wasser. Und vielleicht auch eine Kleinigkeit zu essen und etwas zu trinken –
als kleine Stärkung für den Gentleman?«
»Nein«,
befand Rathbourne in seinem anmaßendsten Tonfall. Und dann zuckten auf einmal
seine Lippen, und er stieß einen erstickten Laut aus.
Ernstlich
besorgt starrte Bathsheba ihn an.
Und da
platzte es aus ihm heraus – lauthals schallendes Gelächter, das von den Wänden
des schmalen Ganges widerhallte.
Nachdem er
erst einmal angefangen hatte, war es, als sei ein
Weitere Kostenlose Bücher