Loretta Chase
Throgmorton
wollen.«
»Dennoch
ist es ein Wagnis«, sagte er.
»Ich
weiß«, erwiderte sie. »Aber etwas anderes bleibt uns nicht übrig, und was
immer wir tun, so können wir doch nie gewiss sein, dass die Kinder sicher sind,
bis wir sie finden.«
»Dann also
nach Bristol«, hielt er fest und ließ die Pferde antraben.
Zur
selben Zeit stand
Rupert Carsington im Foyer des Stadthauses seines Bruders Benedict.
»Nicht zu
Hause?«, fragte er Marrows, den Butler. »Ist er schon nach Edinburgh aufgebrochen?«
»Nein,
Sir«, sagte Marrows in jener absolut unverbindlichen Manier, welche Butler meistern
müssen, ehe sie irgendetwas anderes lernen.
»Wahrscheinlich
ist ihm eine dringliche Regierungsangelegenheit dazwischengekommen«,
mutmaßte Rupert. »Nun denn, egal. Es ist nicht dringend.
Ich wollte
mich nur von dem Jungen verabschieden.«
»Lord Lisle
ist ebenfalls nicht zu Hause, Sir«, sagte Marrows.
»Was Sie
nicht sagen«, sagte Rupert.
»So ist es,
Sir.«
»Wo stecken
die beiden?«
»Das kann
ich Ihnen nicht sagen, Sir.«
»Doch, das
können Sie, Marrows. Ich hege keinen Zweifel, dass Sie mir so allerlei sagen
könnten. Aber es scheint Ihnen lieber zu sein, dass ich mich im Haus umsehe und
nach Spuren suche.«
»Sir, ich
kann Ihnen nicht sagen, wo die beiden sind«, beharrte Marrows.
Rupert lief
an ihm vorbei.
»Sir, ich
weiß nicht, wo sie sind«, sagte Marrows. In seine Stimme hatte sich ein
leicht panischer Unterton geschlichen.
»Sie wissen
es nicht?«, fragte Rupert. »Das ist ja interessant.« Er steuerte
Benedicts Arbeitszimmer an. »Vielleicht kann Gregson das Geheimnis
lüften.«
Männer, die
sich als Sekretäre adeliger Gentlemen verdingten, waren meist selbst Gentlemen
aus guter Familie, wenngleich von beschränkten finanziellen Mitteln. Im
Gegensatz zu Marrows, dem Butler, konnte Gregson sich als einen engen
Vertrauten Seiner Lordschaft betrachten. Und natürlich sah Gregson seine
Aufgabe nicht darin, wie der Butler stets eine reglose Miene zur Schau zu
tragen und mit bewundernswerter Beharrlichkeit keinem Besucher, auch keinem
Familienmitglied, Informationen welcher Art auch immer preiszugeben.
Gregson saß
am Schreibtisch Seiner Lordschaft, welcher sich nicht in gewohnt aufgeräumtem
Zustand befand. Im Augenblick ähnelte er eher Ruperts Schreibtisch. Briefe,
Karten und Einladungen lagen achtlos verstreut. Linker Hand des Sekretärs
stapelte sich allem Anschein nach noch unberührte Korrespondenz.
»Was ist
nur in Seine Perfektschaft gefahren?«, fragte Rupert, als er eintrat.
»Sir.«
Gregson erhob sich.
»Setzen Sie
sich«, winkte Rupert ab und deutete auf den Stuhl.
Der
Sekretär blieb stehen.
Rupert
zuckte die Schultern, lief hinüber zum Fenster und sah hinaus. »Was zum Teufel
ist denn dahinten los?«, wollte er wissen. »Lässt mein Bruder endlich den
Garten umgraben und eine
Kricket-Wiese anlegen, wie ich ihm längst geraten habe?«
»Einige der
Pflanzen und Sträucher nahe des hinteren Tors haben leider Schaden
genommen«, erklärte Gregson.
»Einbrecher?«
»Lord
Rathbourne.«
»Mein
Bruder hat das gemacht?«
»So sagen
die Dienstboten. Ich selbst war nicht Zeuge der ... äh ...«
»Der
Verwüstung?«
»Danke,
Sir. Ich war nicht Zeuge der Verwüstung.«
»Mein
Bruder macht den Garten platt«, sinnierte Rupert. »Das wird ja immer
interessanter. Irgendeine Idee, wo er abgeblieben ist?«
»Nicht die
geringste«, sagte Gregson entschuldigend. »Seine Lordschaft hat sich
jüngst auch recht seltsam benommen. Wie Sie wissen, hält er mich stets über
seine Termine auf dem Laufenden. Aber gestern, am späten Nachmittag, ist er
einfach fortgegangen, ohne irgendjemandem ein Wort zu sagen. Es scheint, als
habe er den Lakaien Thomas mitgenommen, doch niemand weiß, wohin die beiden verschwunden
sind. Es ist alles sehr rätselhaft. Ich war mir sicher, dass Thomas ein paar
Stunden zuvor mit Lord Lisle aus dem Haus gegangen war – zu dessen
Zeichenstunde, glaube ich. Seitdem hat niemand Lord Lisle mehr gesehen.«
»Ah, also
hat Rathbourne doch noch einen Zeichenlehrer für Lord Lisle gefunden«,
stellte Rupert fest.
»Oh ja,
Sir, das hat er. Lord Lisle nimmt Unterricht bei ...« Gregson zog ein
Kontorbuch zu sich heran und blätterte eine Seite um. »Hier. Der Lehrer ist ein
B. Wingate, im Hause von Popham, dem Grafikhändler.« Er las die Adresse vor,
die in einer der unerfreulicheren Gegenden von Holborn gelegen war.
»B.
Wingate«, sagte Rupert, sorgsam um eine
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