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Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Titel: Lost Girl. Im Schatten der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Ströle
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Land im Nahen Osten handele. Ich gebe trotzdem nicht auf. Sie hat auch kein Geschick für sprachliche Bilder, verwendet aber ständig welche.
    Außerdem sieht sie die Dinge unglaublich klar. Das begreife ich, als sie eines Tages sagt, sie habe von Anfang an durchschaut, dass ich nicht Amarra sei.
    »Es liegt an der Art, wie du dich bewegst«, sagt sie. »So rasch, als ob du jederzeit wegrennen wolltest. Oder die Krallen ausfahren und dich verteidigen. Wie ein verletztes Wolfsjunges. Verloren, aber bissig, verstehst du?«
    Sie zeigt mir Orte in der Stadt, an denen ich noch nicht war. Restaurants, Dachterrassen, niedliche kleine Läden und riesige Kaufhäuser. Wir gehen in Multiplex-Kinos, kaufen bei Straßenhändlern Erdnüsse und besuchen noble Bars und hoffen, dass uns niemand nach dem Alter fragt, wenn wir Drinks mit langen, exotisch klingenden Namen bestellen. Mehr als einen oder zwei trinken wir nie, weil sie teuer sind und wir nicht viel Geld haben. Wir sitzen in der heißen Sonne und entwerfen Kostüme für berühmte literarische Gestalten: Lekha denkt sie sich aus und ich zeichne sie. Wir rennen im Regen durch Pfützen und winken verzweifelt einer Autorikscha. Ich lerne schnell, dass der Preis, den ein Rikschafahrer verlangt, sich direkt proportional zu der Regenmenge verhält, die sich im entsprechenden Augenblick auf die Straße ergießt.
    »Wenn wir so unterwegs sind, erinnerst du mich an einen Vormund von mir«, sage ich eines heißen Aprilabends in der letzten Schulwoche vor den Sommerferien zu Lekha. Sie vollführt auf der Stufe vor mir eine Pirouette und posiert albern, während ich versuche, sie zu zeichnen. »Sie ist genauso ein Dubbel wie du.«
    »Ein neues Wort! Dubbel. Gefällt mir. Bedeutet es schön und charmant?«
    »Eher nicht.«
    »Schade.« Lekha hört auf sich zu drehen und versucht sich an einem etwas schiefen Plié. »Und? Was bedeutet es dann?«
    »In Ophelias Fall«, sage ich lächelnd, »bedeutet es, dass sie das Herz am rechten Fleck hat, in ihrem Kopf aber ein ziemliches Chaos herrscht und ein paar wichtige Dinge fehlen.«
    »Sie heißt Ophelia? Oje. Womit hat sie das denn verdient?«
    »Ihr Vater ist ein Meister.«
    »Ein gruseliger Typ?«
    »Na ja«, sage ich. »Ich habe ihn einmal im Fernsehen gesehen und er strahlte eine Kälte aus wie jemand, der alles bekommt, was er will.«
    Lekha gibt ihre Pose auf und setzt sich neben mich. »Eva«, sagt sie, denn sie hat mir inzwischen meinen richtigen Namen entlockt, »ich habe neulich jemanden aus der Klasse über die Meister reden hören und über die Jäger und dich. Über alles Mögliche. Ich höre sonst nicht zu, wenn die Leute über dich reden, aber diesmal klang es halbwegs wahr. Ray hat dich doch mithilfe dieses komischen Dingsbums, dieses Mals«, sie zeigt auf meinen Nacken, »überführt.«
    Ich verziehe das Gesicht. »Wir sollen es eigentlich verstecken. Aber wie Ray gezeigt hat, gelingt das nicht immer. Wahrscheinlich waren die Meister der Ansicht, das Mal sei das Risiko wert, dass einer von uns enttarnt wird.« Ich lächle schwach. »Dank ihm vergessen wir wenigstens nie, wem wir gehören.«
    »Du gehörst ihnen also?« Lekha zögert. »Mit Haut und Haar?« Ich nicke. »Und sie könnten dich töten, wenn du deine Sache als Amarra nicht gut machst?«
    Ich nicke wieder.
    »Heißt das, du sitzt für immer und ewig hier fest? Amarra wäre doch auf die Universität gegangen. Sie wollte sich um einen Studienplatz in den USA , Großbritannien oder Australien bewerben. Sie hat oft davon gesprochen, sich die beste Uni für Archäologie auszusuchen.«
    »Also muss ich eigentlich auch an die Universität und Archäologie studieren«, sage ich. »Von Echos wird erwartet, dass sie tun, was ihre Anderen getan hätten. Theoretisch könnte ich natürlich auch Kunst studieren. Oder nicht zur Uni gehen. Aber dann könnten Neil oder Alisha sich bei den Meistern beschweren. Sie könnten sagen, ich würde mich ganz anders verhalten, als Amarra es getan hätte.« Ich zucke mit den Schultern. »Oder sie sagen nichts und lassen es einfach so durchgehen.«
    »Aber das ist unwahrscheinlich. Sie wollen, dass du wie Amarra bist.«
    »Genau. Ich habe zwar einen gewissen Spielraum, aber ich existiere aus einem ganz bestimmen Grund, Lekha. Das darf ich nicht vergessen.«
    »Und Ray?«
    »Was soll mit ihm sein?«
    »Wenn er zu dem Schluss kommt, dass Amarra doch irgendwo in dir steckt, und er dir noch eine Chance gibt – müsstest du dann mit ihm zusammen

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