Lost Princesses 01 - Der Lord Und Die Rebellin
Clarice mit Sicherheit wusste und dem sie in dieser labilen Welt von eitlen Ladys und grausamen Richtern vertrauen
konnte, dann, dass der Earl von Hepburn ein Ehrenmann war. Und seine Ehre verlangte es, dass er sie rettete.
Der Schlüssel kratzte im Schloss, und die Tür schwang auf.
Sie richtete sich auf.
Als Fairfoot durch die Tür trat, lächelte sie ihn an. Es war ein höhnisches Lächeln, und sie benutzte die einzige Waffe, die ihr geblieben war. Sie begrüßte ihren Peiniger mit gedehnten und fast belustigt klingenden Worten. »Wenn Lord Hepburn kommt, wird er Euch in kleine Stücke Grillfleisch schneiden. Und ich werde zusehen.«
29
Die Welt fährt in einem Handkarren in die Hölle, also kann man sich auch zurücklehnen und die Reise genießen.
DIE ALTEN VON FREYA CRAGS
R obert passierte die Zugbrücke über dem ausgetrockneten Graben, zog sein Stemmeisen aus der Satteltasche und hämmerte gegen die festen, verschlossenen Eichentüren.
Während er wartete, schaute er an der hohen, bedrohlichen Feste von Gilmichael hinauf. Wie sollte er Clarice aus dieser Trutzburg befreien? Vor allem in der Nacht und angesichts der Tatsache, dass er keine einzige nützliche Information über diese Festung bekommen hatte. Er wusste nur, dass sie vor vierhundert Jahren gebaut worden war, um die englische Grenze gegen schottische Marodeure zu schützen. Gilmichael sah aus wie alle anderen englischen Festungen. Groß. Unbezwingbar. Unentrinnbar.
Aber der Ort Gilmichael selbst war keine große Siedlung. Es sollten nicht viele Gefangene in der Festung sein, und sicherlich wurden sie nicht von allzu vielen Wachen beaufsichtigt. Ein paar Männer würde er überwinden können, und Clarice müsste schnell zu finden sein. Mit Gottes Hilfe war Robert mit Clarice längst unterwegs, bevor dieser verdammte Richter ihre Flucht überhaupt bemerkt hatte.
Natürlich würde Robert anschließend zurückkehren und sich seiner annehmen. Unwillkürlich ballte er die Hand zur Faust. Doch dieses Vergnügen musste warten, bis er Clarice sicher nach MacKenzie Manor zurückgebracht hatte. Hatte Fairfoot ihr etwas angetan, würde er auf die schmerzlichste und demütigendste Art und Weise sterben, die Robert für ihn ersinnen konnte. Und er war in dieser Hinsicht recht einfallsreich.
Er klopfte erneut. Das Holz dämpfte das Geräusch, aber irgendjemand musste sich ja in dem Wachhaus aufhalten.
Wäre Waldemar bei ihm gewesen, würde er in diesem Moment bereits an einem Seil die Festung hinaufklettern und wie ein Schatten durch die Korridore huschen. Er würde Clarice finden, sie befreien und Robert nötigenfalls Rückendeckung geben. Es war immer besser, zu zweit in ein Gefängnis einzubrechen, aber heute hatte Robert keine Wahl. Waldemar war bereits auf dem Weg nach London und in Sicherheit. Und gegen das Unternehmen, ihm seine Freiheit zurückzugeben, wirkte das hier wie ein Kinderspiel.
Robert schien ihn mehr zu vermissen, als ihm bewusst war, denn eine Sekunde lang dachte er, dass ein Mann an einem Seil außen an der Festungsmauer hinaufklettere. Er wollte gerade zurücktreten und ihn genauer betrachten, als das kleine, vergitterte Fenster sich öffnete. »Was wollt Ihr um diese Zeit hier?«, knurrte eine tiefe Stimme. »Wisst Ihr nicht, dass Ausgehverbot herrscht?«
»Euer albernes Ausgehverbot interessiert mich nicht!«, fuhr Robert ihn verächtlich an. »Wisst Ihr nicht, wer ich bin?«
»Nee.« Der Wächter klang jedoch etwas vorsichtiger. Das Licht aus dem Wachhaus beleuchtete seinen zerzausten Kopf, und Robert sah einen Koloss von ungewöhnlicher Größe und Massigkeit vor sich.
Robert setzte seinen Bluff fort. »Ich bin Colonel Ogley. Ihr habt von mir gehört!«
»Nee!« Der Wächter spuckte das Wort förmlich aus.
»Ich bin der Held der Iberischen Halbinsel. Ich habe unglaubliche Heldentaten vollbracht. Ich wurde mit Orden überhäuft. Ich habe Hunderte von englischen Leben gerettet. Und ich habe auch die Gefangene erwischt, die heute hier eingeliefert wurde.«
Behemoth kratzte sich den Kopf. »Nee. Das war Richter Fairfoot.«
Lügner. »Ihr kennt Richter Fairfoot?«
»Ja, ich arbeite für ihn.«
»Dann kennt Ihr auch die Wahrheit!«
Behemoth brauchte eine Weile, bis er das verarbeitet hatte, doch dann nickte er langsam. »Ja. Ihr habt das Mädchen gefangen. Und?«
»Ich will sie sehen. Sofort.«
»Ihr und alle anderen, was?«
Robert spürte, wie die Wut in ihm aufflackerte. »Was soll das
Weitere Kostenlose Bücher