Lost Princesses 01 - Der Lord Und Die Rebellin
drei Wachsoldaten herum. Einer von ihnen hatte eine Muskete im Arm. Die beiden anderen hielten zwar nichts in den Händen, aber Robert machte nicht den Fehler, sie deshalb für unbewaffnet zu halten. Für ein armseliges Grenzdorf waren die Männer in Gilmichael bemerkenswert wachsam und gut vorbereitet. Robert vermutete, dass Richter Fairfoot so gehasst wurde, dass er fürchten musste, die Dorfbewohner könnten auf die Idee kommen, sich seiner zu entledigen.
Ranald ging zu dem Soldaten mit der Muskete und sprach leise mit ihm.
Die Antwort konnte Robert deutlich verstehen.
»Seid Ihr verrückt? Das ist mir das Leben nicht wert, wenn ich jetzt runtergehe und ihn störe. Ihr wisst doch, was er mit den Ladys anfängt, die hier eingeliefert werden. Bleibt noch ein bisschen, dann hört Ihr sie gleich schreien!«
Noch während der Mann sprach, ließ Robert seine Satteltaschen zu Boden gleiten. Er beugte sich herunter, lächelte die Männer an und schätzte ihre Positionen ab, und machte sich dann in den Taschen zu schaffen.
Bevor der Wachmann zu Ende gesprochen hatte, richtete sich Robert auf. Er hielt ein Messer in jeder Hand. Das Erste sauste zu dem gefährlichsten Ziel im Raum, dem Mann mit der Muskete. Ein anderes schleuderte er auf Ranald. Es traf den Wachmann in der Kehle.
Sie fielen beide zu Boden, und die Muskete landete klappernd auf dem Steinboden. Robert zog ein drittes Messer aus dem Ärmel, um sich auf die beiden übrigen Wachen zu stürzen, blieb jedoch wie angewurzelt stehen, als er die Pistole in Ranalds Hand sah.
Roberts Glück hatte ihn verlassen.
Ranald blutete aus der Kehle, und er atmete leise pfeifend, aber Robert sah dennoch seinen Tod in dem militärischen Blick des anderen Mannes.
Er durfte nicht sterben. Clarice brauchte ihn. Als er sich zur Seite warf, hallte ein Musketenschuss durch den Raum.
Als Robert wieder hinsah, war Ranald tot. Sein Kopf war von einem Schuss zerschmettert. Ein anderer Wachmann hatte ein Messer im Hals stecken. Robert hatte weder die Muskete abgefeuert, noch ein Messer geworfen.
Er rollte sich auf die Seite, sprang auf und wirbelte zur Tür herum.
Dort stand ein Fremder. Er war groß gewachsen, sehr dünn, hatte dunkles Haar und unergründliche Augen. Er war ganz in Schwarz gekleidet und hatte sich Schmutz ins Gesicht geschmiert. Er war der Mann, der mit einem Seil in die Festung gelangt war, und er bewegte sich wie jemand, der wusste, was er tat. Er hatte genau dasselbe gemacht, was Waldemar
getan hätte. Und Robert war bereit, ihn sofort zu töten.
Der Fremde warf die rauchende Muskete weg und zielte mit einer Pistole auf den letzten Wachmann. »Bindet ihn, seid so gut, ja?« Seine Stimme klang kühl und hatte einen ganz ähnlichen Akzent wie die von Clarice. »Ich hole die Schlüssel. Wir haben nicht viel Zeit.«
Offenbar war er auf Roberts Seite.
Aber unbekannte Bundesgenossen bereiteten Robert Unbehagen. Sie folgten meist einer eigenen Agenda. Robert zog das Seil aus der Satteltasche: »Danke, aber wer, zum Teufel, seid Ihr?«
»Erkennt Ihr mich nicht?«
Robert warf ihm noch einen kurzen Blick zu. Natürlich. »Ihr seid vor dem Ball um mein Haus geschlichen. Ihr seid der Mann, den ich gejagt habe und nicht finden konnte.«
»Was, zum Teufel, war das?« Richter Fairfoot ließ die Faust sinken, hielt jedoch Clarice weiter an der Kehle fest. »Wenn diese Idioten aus Versehen eine Muskete abgefeuert haben, werde ich ihre Eier rösten!«
Clarice sah Sterne vor den Augen. »Ich habe es Euch doch gesagt«, krächzte sie. »Das ist Lord Hepburn.«
Fairfoots Griff um ihre Kehle verstärkte sich, bis Clarice glaubte, er würde ihr die Luftröhre zerquetschen. Er starrte sie böse an, und seine Augen wirkten wie dunkle Löcher in ihren Höhlen. Dann ließ er sie ebenso unvermittelt los, wie er sie gepackt hatte.
Sie holte tief Luft. Ihre Lungen brannten, als Clarice sie wieder mit Sauerstoff füllte.
Sie hatte befürchtet, dass er sie vergewaltigen wollte. Lieber Tod als Entehrung, würde Großmutter sagen. Aber in
ihrem langen und königlichen Leben war Großmutter auch niemals gewürgt oder verprügelt worden und hatte auch nie erkannt, dass sie einen Mann liebte und dass jede Demütigung und jeder Schmerz es wert waren, wenn sie ihn nur wiedersah.
Allerdings hatte Fairfoot Clarice’ bissige Bemerkungen über seine Feigheit und Impotenz nicht sonderlich zu schätzen gewusst, ebenso wenig wie ihre spöttische Versicherung, dass Robert kommen und ihm
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